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Comeback des Edelmetalls : „Hinter Goldpreisanstieg steckt Angst vor einer systemischen Bankenkrise“

Mit Liebe gepflegt: Gold ist in der aktuellen Situation wegen der Bankenkrise wieder stark gefragt Bild: AFP

John Reade vom World Gold Council spricht über den spektakulären Preisanstieg des Edelmetalls, aktuelle Zahlen zur Nachfrage – und die Bedeutung von Vertrauen für das Bankensystem.

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          Der Goldpreis ist zuletzt deutlich gestiegen, zeitweise bis auf mehr als 2000 Dollar. Was waren die entscheidenden Gründe?

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den Vereinigten Staaten hat eine plötzliche Welle der Unsicherheit bezüglich der Stabilität des amerikanischen Finanzsektors ausgelöst. Nach der rapiden Verschlechterung der Lage der Schweizer Großbank Credit Suisse griff das auch auf Europa über. Die Angst vor einer größeren, systemischen Bankenkrise unterstützte den Goldpreis in zweierlei Hinsicht: Erstens fielen die Renditen von amerikanischen Schatzpapieren drastisch, und zweitens wurden in Nordamerika und Europa einige Käufe von börsengehandelten Indexfonds, den ETF auf Gold und von physischem Gold als einem sogenannten sicheren Hafen verzeichnet.

          Sind denn Bankenkrisen aus Ihrer Sicht allgemein gut für Gold als Anlage­objekt?

          Ja, sehr sogar. Wenn Anleger, Sparer und Depotinhaber das Vertrauen in das Bankensystem verlieren, gehört Gold zu den Vermögenswerten, auf die sich einige Anleger ausrichten. Das scheint in den vergangenen zwei Wochen geschehen zu sein – und dürfte im Falle einer Verschärfung der Bankenkrise noch zu einer starken Investition in Gold führen.

          John Reade ist Chef-Marktstratege bei der Branchenorganisation World Gold Council in London.
          John Reade ist Chef-Marktstratege bei der Branchenorganisation World Gold Council in London. : Bild: World Gold Council

          Was bedeutet die jüngste Entscheidung der amerikanischen Notenbank Federal Reserve für den Goldpreis?

          Die Fed hat die Zinsen am Mittwoch um 25 Basispunkte angehoben. Damit erkennt sie an, dass sie vor zwei Herausforderungen steht. Erstens: Die Inflation ist nicht verschwunden, und die Fed ist eindeutig der Ansicht, dass die Zinssätze erhöht werden müssen. Die zweite Herausforderung besteht darin, die Inflation inmitten einer Bankenkrise unter Kontrolle zu bringen, auch wenn die Krise in den vergangenen Tagen etwas abgeklungen zu sein scheint.

          Wie entwickelt sich denn fundamental die Nachfrage nach Gold?

          Auf der Grundlage der Daten, die wir beim World Gold Council täglich erheben, haben wir festgestellt, dass Anleger Gold über börsengehandelte Indexfonds (ETF) kaufen. Aus Gesprächen mit unseren Kontakten wissen wir zudem, dass die Nachfrage nach Barren und Münzen in Europa und Nordamerika gestiegen ist. Und wir haben eine Verlangsamung der Käufe in wichtigen Schmuckmärkten aufgrund des Preisanstiegs festgestellt.

          Gibt es Unterschiede bei der Nachfrage nach physischem Gold und Gold-ETFs?

          Im Gegensatz zu den vergangenen neun Monaten kaufen derzeit sowohl Anleger mit Vorliebe für physisches Gold als auch typische ETF-Investoren Gold. Die Käufer von physischem Gold sind seit der Finanzkrise und insbesondere in den vergangenen drei Jahren ein starkes und beständiges Marktelement gewesen. ETF-Anleger hingegen waren unbeständiger und kauften in den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 nach der russischen Invasion in der Ukraine Gold – verkauften aber in anderen Zeiträumen. Die aktuelle Sorge vor einer Bankenkrise scheint beide Anlegerarten zu vereinen.

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