Mögliche Zinswende : Schwellenländer schauen gebannt auf die Fed
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Petrobras-Ölbohrinsel vor Rio de Janeiro Bild: Getty
Am Donnerstag könnte die Fed den Leitzins erhöhen. Für die Schwellenländer steht dabei viel auf dem Spiel - ebenso wie für westliche Anleger.
Jahrelang wurden Anlegern in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen Kapitalanlagen in Schwellenländern empfohlen. Dies seien Länder mit großer Zukunft, deren Volkswirtschaften schneller wachsen würden als die sklerotischen Staaten in der industrialisierten Welt, hieß es. Höhere Zinsen gab es in den Schwellenländern noch dazu. Die Begeisterung war groß.
Doch schon vor Monaten hat das Zittern begonnen. Aktien- und Anleihekurse sind in vielen Schwellenländern deutlich gefallen; viele Währungen haben erheblich an Wert verloren. Dies gilt für asiatische wie lateinamerikanische Schwellenländer, aber auch für Russland und die Türkei. Neben der Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung in China wird eine denkbare Leitzinserhöhung in den Vereinigten Staaten als Grund für die Malaise genannt.
Ob die amerikanische Notenbank Fed ihren Leitzins vielleicht schon am kommenden Donnerstag oder auf einer Sitzung im Dezember erhöhen wird, ist noch nicht absehbar. Aber an Kapitalmärkten werfen mögliche Ereignisse Schatten voraus. Nach einer Analyse der angelsächsischen Fondsgesellschaft Fulcrum dürfte die Erwartung auf eine Leitzinserhöhung in den Vereinigten Staaten wesentlich zu den Kursturbulenzen im August beigetragen haben. Die scheinbar ewigen Debatten an den Finanzmärkten über die Fed hat mehrere Geldpolitiker aus Schwellenländern, darunter den indischen Zentralbankgouverneur Raghuram Rajan, zu einem Plädoyer für eine Zinserhöhung veranlasst. Danach könnte die Preisbildung an den Finanzmärkten wieder etwas gelassener vonstatten gehen.
Die Bedeutung des Dollars für die Schwellenländer ist sehr groß. Zum einen achten viele Schwellenländer auf den Wechselkurs ihrer Währung gegenüber dem Dollar. Aber die amerikanische Währung kursiert auch in diesen Ländern: Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben Unternehmen und Privatpersonen außerhalb der Vereinigten Staaten 9,6 Billionen Verbindlichkeiten in Dollar – viele dieser Schuldner befinden sich in Schwellenländern.
Zinswende würde Rohstoffpreise drücken
Untersuchungen zeigen, dass die amerikanischen Zinsen stark auf die Zinsen in den Schwellenländern ausstrahlen. Dies führte zu vielen Kapitalanlagen in Schwellenländern, solange die Zinsen in den Vereinigten Staaten sehr niedrig blieben. Mit der Aussicht auf steigende Zinsen in Amerika fließt wieder Geld aus den Schwellenländern in die Vereinigten Staaten zurück.
Bis vor einigen Wochen galt eine Leitzinserhöhung in den Vereinigten Staaten für die meisten Volkswirtschaften Lateinamerikas als größte Gefahr. Inzwischen sorgen das nachlassende Wachstum und die Finanzturbulenzen in China indes für deutlich größere Unruhe. Für viele Länder Südamerikas ist China zum wichtigsten Exportkunden geworden. Die gebremste Nachfrage aus China hat die Preise für Kupfer, Eisenerz und Soja aus Südamerika einbrechen lassen und die Währungen der Latinos unter Abwertungsdruck gebracht.
Der uruguayische Ökonom Jorge Caumont hält die seit langem angekündigte Zinswende in den Vereinigten Staaten freilich für die Hauptursache fallender Rohstoffpreise und abwertender Währungen in Südamerika. So wie die Nullzinspolitik Amerikas über lange Zeit die globale Güternachfrage angekurbelt und den Dollar geschwächt habe, wirke die Erwartung der Zinserhöhungen nun in die umgekehrte Richtung. Eine Zinswende der Fed würde den Dollar stärken und die Rohstoffpreise drücken.
Ungünstiger Zeitpunkt für Lateinamerika
Die mögliche Zinserhöhung der Fed träfe Lateinamerika in einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In fast allen Ländern der Region hat sich die Konjunktur deutlich abgekühlt. Brasilien und Venezuela stecken gar tief in der Rezession. Gleichzeitig treibt die Abwertung der Latino-Währungen die Inflationsraten. Seit Jahresbeginn hat sich der Dollar gegenüber den Währungen Südamerikas bereits um 10 bis 45 Prozent verteuert. Höhere Zinsen in Amerika würden diese Tendenz verstärken. Peru hat Ende voriger Woche bereits überraschend seinen Leitzins angehoben, um eine weitere Abwertung seiner Währung zu verhindern. Auch in Chile und Mexiko wird trotz lahmender Konjunktur mit baldigen Zinserhöhungen gerechnet.