Amerikanische Geldpolitik : Wie gefährlich ist die Fed?
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Janet Yellen, Präsidentin der US-Notenbank (Federal Reserve): Kommt die Zinswende? Bild: AFP
Amerikas Notenbank entscheidet am Donnerstag, ob die Zinsen bei null bleiben. Leitet sie die Wende ein, könnte es an den Börsen zu neuen Turbulenzen kommen.
Am 16. und 17. September kommen elf weitgehend unbekannte Männer und die amerikanische Notenbankpräsidentin Janet Yellen zusammen, um über die künftige Geldpolitik des Landes zu beraten und zu entscheiden. Die Vorberichterstattung zu dieser turnusmäßigen Zusammenkunft des Offenmarktausschusses der amerikanischen Federal Reserve erweckt den Eindruck, das Wohl der gesamten Weltwirtschaft hänge von dem Ergebnis dieser Veranstaltung ab.
Die amerikanischen Zentralbanker haben die harmlose Absicht, den Leitzins nur ein ganz kleines bisschen zu erhöhen irgendwann in diesem Jahr, aber vielleicht auch später. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einer Normalisierung der Geldpolitik. Das ist angemessen für den, der einen Leitzins zwischen null und 0,25 Prozent als unnormal ansieht.
Seit Dezember 2008 regiert die Null, zum letzten Mal angehoben wurde der Leitzins im Juni 2006. Das ist schon so lange her, dass man sich an das Unnormale schon gewöhnt hat. Eine mit großem Ernst von Zentralbankern formulierte Sorge lautet, dass an den Händler-Terminals heute lauter unerfahrene Burschen sitzen, die eine Leitzinserhöhung nie erlebt haben und hysterisch werden könnten, wenn sie doch einmal kommen sollte – mit entsprechenden Folgen für die Finanzmärkte.
Abgesehen davon, ist eigentlich alles angerichtet für eine Leitzinserhöhung der Fed. Die amerikanische Volkswirtschaft wird in diesem und im nächsten Jahr um rund drei Prozent wachsen und damit die meisten Industrieländer in den Schatten stellen – und sogar manche Schwellenländer. Der amerikanische Arbeitsmarkt floriert seit vielen Monaten. Die Arbeitslosenquote beträgt jetzt 5,1 Prozent, ein Stand, der in der hochgelobten Ära des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan beispielsweise nie erreicht wurde. Das ist schon nahe an der von der Fed so definierten Vollbeschäftigung.
Trotzdem liegt Brisanz in der Natur der Entscheidung. Mit der Zinswende würden die Amerikaner der Welt erklären, dass die Finanzkrise überwunden ist. Die unkonventionelle Geldpolitik der Fed und der meisten Zentralbanken der Welt mit Leitzinsen bei null und Kaufprogrammen für Anleihen war dem hehren Ziel geschuldet, das Abrutschen der Weltwirtschaft in eine tiefe Depression zu verhindern. Und jetzt, da das Schlimmste überwunden scheint, schaltet man wieder in den Normalmodus.
Drei Argumente gegen die Leitzinserhöhung
Wo ist also das Problem?, fragt man sich. Dass es eines gibt, zeigt der Aufmarsch der Gegner einer Leitzinserhöhung. Zuletzt erhob Larry Summers seine machtvolle Stimme. Der Harvard-Professor, ehemals amerikanischer Finanzminister, Regierungsberater und (seit kurzem) Blogger, sagt unverblümt, dass eine Zinswende ein schwerer Fehler wäre. Nichts spreche dafür: Das Kerngeschäft der Fed ist die Wahrung der Finanzstabilität, die Gewährleistung der Vollbeschäftigung und die Bekämpfung der Inflation. Alle drei Bereiche sagten der Fed, dass sie die Finger von einer Zinserhöhung lassen soll.
Summers dekliniert die Problemfelder durch: Die Finanzstabilität ist bedroht, weil die Märkte zu turbulent sind. China und andere Schwellenländer verbreiteten schwerwiegende Unsicherheiten, die Industrieländer seien noch nicht wieder gesund. Diese Einschätzung teilen die Chefvolkswirte der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, die die Fed überraschend laut und beharrlich vor einer Zinswende noch in diesem Jahr warnen. Sie fürchten, dass die Schwellenländer plötzlich alt aussehen, weil der Dollar gegenüber Schwellenländer-Währungen aufwerten könnte. Die Gefahr droht, dass Investoren dann Länder wie Indonesien oder die Türkei verlassen und ihr Kapital mitnehmen. Sie beschwören die Erinnerung an „Taper Tantrum“. Ben Bernanke hatte im Mai 2013 als Chef der Fed mit seiner Bemerkung, die Fed werde die Anleihekäufe zurückfahren, für Schockwellen an den Märkten gesorgt.
Summers zweites Thema ist der amerikanische Arbeitsmarkt und die Frage, ob er wirklich so gesund sei, wie die Zahlen vorgeben. Nein, lautet die Antwort des Harvard-Ökonomen. Das Stichwort ist die Erwerbsbeteiligung, die so niedrig liegt wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Da spielt eine Rolle, dass Amerika mehr Rentner und einen höheren Rentneranteil an der Bevölkerung hat und ebenso die Tatsache, dass junge Leute länger studieren und deshalb später in den Arbeitsmarkt einmünden. Aber es bleibt das Phänomen, dass die Erwerbsbeteiligung der 25- bis 55-Jährigen im historischen Vergleich auf niedrigem Niveau ist. Das lässt sich nur durch strukturelle oder konjunkturelle Schwächen des Arbeitsmarktes erklären, die wiederum eine Leitzinserhöhung verböten.