Steilmann : Pleite im Rekordtempo
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Firmenzentrale von Steilmann in Bergkamen. Bild: dpa
Keine fünf Monate dauerte es vom Börsengang des Textilhändlers Steilmann bis zur Insolvenz. Was ist da passiert?
Nur 141 Tage sind vergangen, seit der Modehändler Steilmann SE das Börsenparkett betreten hat. Nun hat er Insolvenz angemeldet, ebenso wie kurz darauf der Großaktionär Steilmann Holding. Kostete die Aktie der Steilmann SE im November noch 3,50 Euro, lag sie am Mittwochabend noch bei 2,37 Euro – und fiel am Donnerstag um 89 Prozent auf 26 Cent.
Wie kann das so schnell passieren? Und wo ist das Geld aus dem Börsengang hin? Die Antwort ist: Steilmann hatte gar nicht viel Geld eingenommen. Denn der Gang auf das Parkett war eine Katastrophe. Der Textilhändler hatte zunächst 17 Millionen neue Aktien zu 3,50 bis 5 Euro angeboten, am Ende aber nur 2,25 Millionen Aktien zu 3,50 Euro verkauft.
Das heißt: statt geplanter 72,3 Millionen Euro bekam Steilmann im Börsengang gerade einmal 7,9 Millionen Euro. Laut Prospekt-Nachtrag gingen davon auch noch knapp 4 Millionen Euro an die Banken – also blieb nur ungefähr die Hälfte in den Kassen von Steilmann. Bei einem Umsatz von 637 Millionen Euro in den ersten neuen Monaten und einem Kassenbestand von seinerzeit 56,5 Millionen Euro war der Börsengang als Finanzierung daher vernachlässigbar.
Denn: Für die Aktien von Steilmann interessierten sich schon damals kaum Investoren. Das ist nicht nur dem schwierigen Geschäft mit Neuemissionen geschuldet. Viel mehr scheint es, zumindest rückblickend betrachtet, bei Steilman immer größere Finanzierungschwierigkeiten gegeben zu haben, bis zuletzt die Finanzierungsmöglichkeiten ausgingen. Das könnte vielen potenziellen Aktionären aufgefallen sein. So heißt es in der knappen Mitteilung zum Insolvenzantrag: „Zwischenzeitlich geführte und bislang erfolgversprechende Sanierungsverhandlungen (haben) nicht zum Ziel geführt.“
So hatte Steilmann 2012 mit seinem ersten, öffentlichen Anleihenangebot statt wie geplant 30 Millionen Euro nur 23 Millionen Euro eingenommen. Im März 2013 hieß es, das Unternehmen wolle die Anleihe um 15 Millionen aufstocken. Das wurde dementiert, dann aber im Juni die Anleihe dann doch um 5 Millionen Euro aufgestockt. 2014 wurde eine privat plazierte Anleihe im Volumen von 33 Millionen Euro erfolgreich begeben. Allerdings hatte diese nur eine vierjährige Laufzeit und wurde mit 7 Prozent dennoch höher verzinst als das 2012 begebene Papier. Im März 2015 folge eine dritte Anleihe mit einem Kupon von 7 Prozent, aber nur noch zwei Jahren Laufzeit. Dennoch konnte Steilmann nur 10 Millionen Euro absetzen.
Rückspiegel: Viele Indizien für Liquiditätsproblem
Insgesamt verschlechterten sich die Finanzierungskonditionen drastisch: Wurde die erste Anleihe noch mit 5,1 Prozentpunkten über dem Bankenreferenzzins vergütet, waren es bei der zweiten schon 6,6 Prozentpunkte und bei der dritten 6,9 Prozentpunkte – und dennoch waren nur 10 Millionen abgesetzt worden. Im August 2015 folgte eine weitere Aufstockung der ersten Anleihe – mit einem Aufschlag von 6,7 Prozentpunkten für nicht ganz zwei Jahre. Acht Monate dann der völlig fehlgeschlagene Börsengang.
Auch die Geschwindigkeit der Geldbeschaffung lässt sich rückblickend als Indiz für mögliche Liquiditätsengpässe verstehen. Vergingen von der ersten Anleihebegebung bis zur ersten Aufstockung noch 12 Monate, so zapfte Steilmann im vergangenen Jahr den Kapitalmarkt dreimal innerhalb von sieben Monaten an.
Hinzu kommt die „Kleckerfinanzierung“. Hier mal sieben Millionen, dort mal fünf - für einen Konzern mit einem Umsatz von fast 900 Millionen Euro eine eher außergewöhnliche Finanzierungspolitik.