KTG Agrar : Deutschlands größter Bauer erntet 600 Millionen Euro Schulden
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KTG-Ölmühle bei Anklam Bild: KTG Agrar
Die Geschichte vom rasanten Aufstieg und Fall des Agrarkonzerns KTG ist wie ein Krimi von Agrarsubventionen, Klüngel und einem Mann mit unersättlichem Expansionshunger.
An einem Sommertag vor wenigen Wochen in Berlin Mitte hatte der Vorstandschef Siegfried Hofreiter einen seiner letzten öffentlichen Auftritte, bevor er die Insolvenz eingestehen musste. Auf der Bühne eines „Zukunftsdialogs Agrar“ plauderte er mit einem Sternekoch aus Sylt über gute Küche und schlechte Landwirtschaft. Hofreiter wirkte gelöst und so, als sei er sich seines Weges gewiss - ehe wenige Woche später bekannt wurde, dass sein Unternehmen, die KTG Agrar SE, zahlungsunfähig ist. Vermutlich werden viele tausend Anleger ihr Geld verlieren.
Die Geschichte, wie es dazu kam, ist eng mit der Person Hofreiter verbunden. Der rasante Aufstieg seiner KTG wäre nicht möglich gewesen ohne seine gewisse Abgebrühtheit. Hofreiter, 54 Jahre, im legeren grünen Pulli und mit frischem schwarzen Haar, muss an jenem Tag in Berlin schon gewusst haben, in wie großen Nöten der börsennotierte Agrarkonzern steckte. Er sagte den Termin trotzdem nicht ab, sondern plauderte von wachsenden Märkten für vegane Lebensmittel, von denen KTG profitieren werde, und von der Notwendigkeit kleiner Bauernhöfe und großer Konzerne wie KTG, denn beide machten „die Weltmarke Deutsche Landwirtschaft“ aus.
Protokoll des Größenwahns
Seine Vision für KTG, den ersten börsennotierten Agrarkonzern in Deutschland, war immer groß: Weltmarke, Welternährung, Weltbevölkerung. „Gegessen wird immer“ - mit diesem Slogan gelang es Hofreiter, Hunderte Millionen Euro einzusammeln. Seit dieser Woche hat er einen neuen Vorstandskollegen: Jan Oeckelmann, Insolvenzverwalter.
Die KTG Agrar, größter Ackerbaukonzern Europas, Verbindlichkeiten: 606 Millionen Euro, hatte im Juni den Anlegern 18 Millionen Euro Zinsen nicht zahlen können. Noch wenige Tage, bevor der Insolvenzantrag gestellt wurde, bestritt der Konzern die Finanznot: „Bedauerlicherweise“ hätten „Kommentatoren“ wohl „aus Unkenntnis der Geschäftslage (...) für Unsicherheit gesorgt“. Die Ernten würden gut werden: „Gegessen wird immer! Wir ackern für’s Leben.“
Betrachtet man die kurze, schuldenreiche Börsengeschichte der KTG im Rückblick, erscheint sie wie ein Protokoll des Größenwahns. Doch sie sah aus der Ferne die meiste Zeit vernünftig aus. Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da kürte das Beratungshaus „Munich Strategy Group“ KTG Agrar noch zum besten deutschen Mittelstandskonzern. KTG führte die Rangliste „Top 100 Mittelstand“ an.
Finanzdrehscheibe
Durchblick war damals schon kaum möglich. Mehr als hundert Beteiligungen stehen im Geschäftsbericht, der voller Geheimnisse ist: Plötzlich war die Tiefkühl-Sparte abgestoßen, Gesellschaften klammheimlich umbenannt, Millionenkredite an die nicht benannten Käufer vergeben. Allerdings nahm diese Einzelheiten kaum jemand wahr.
Erst in diesem Juni und Juli stoßen Beobachter auf die bizarren Details. In den Bilanzen der KTG stehen als Vermögen verbuchte Forderungen über 214 Millionen Euro. Was sich hinter dem Posten verbirgt, ist unklar - bis heute. Aus Unternehmenskreisen war noch am gestrigen Freitag zu hören, die Prüfung dauere an, man könne es nicht sagen.
Zum Vergleich: Das Ackerland und andere Flächen, die KTG in den vergangenen Jahren in großem Stil aufkaufte, sind nur mit 61 Millionen Euro verbucht. „Von außen betrachtet wirkt es so, als habe KTG Agrar als eine Art Bank oder Finanzdrehscheibe für Firmen aus dem Umfeld fungiert“, schreibt die Zeitschrift „Finance“.