Geldpolitik und Immobilien : Glücklich, wer in solchen Zeiten ein Häuschen besitzt
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Bauland in Berlin-Spandau: Wer günstige Immobilien sucht, der kommt zu spät. Bild: Jens Gyarmaty
Die Bundesbank hat untersuchen lassen, wie sich die lockere Geldpolitik auf die Ungleichheit auswirkt. Von steigenden Hauspreisen profitieren auch Ärmere – außer in Deutschland.
Für rund 60 Milliarden Euro im Monat kauft die Europäische Zentralbank (EZB) seit März dieses Jahres Staatsanleihen auf – und es gehört zu den umstrittenen Fragen, wie gerecht es dabei zugeht. Steigert die Geldpolitik womöglich die Ungleichheit in Europa? Die Bundesbank hat das jetzt in einer Studie vom Mannheimer Wirtschaftsprofessor Klaus Adam und der Bundesbank-Statistikexpertin Panagiota Tzamourani untersuchen lassen – und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen.
Demnach kommt ein Anstieg der Aktienkurse, der eine Folge der ultralockeren Geldpolitik sein kann, zwar vor allem den vermögenderen Schichten zugute und vergrößert damit die Ungleichheit. Bei einem Anstieg der Kurse von Anleihen hingegen gibt es keinen vergleichbaren Effekt. Und ein Anstieg der Hauspreise, der in Zeiten billigen Geldes auch beobachtet werden kann, hilft sogar mittleren und ärmeren Haushalten relativ zu ihrem Vermögen besonders.
Nur – leider, aus Sicht der Deutschen – ist der letztgenannte Effekt in den einzelnen Eurostaaten sehr unterschiedlich. In Ländern, in denen viele auch weniger vermögende Familien im eigenen Haus wohnen, wie Spanien und Portugal, aber auch Finnland und den Niederlanden, verringern steigende Hauspreise die Ungleichheit spürbar. In Ländern, in denen die mittleren und ärmeren Familien zu großer Zahl zur Miete wohnen, ist dieser positive Effekt kaum wahrnehmbar. Für den mittleren Haushalt in Deutschland, den sogenannten Median, spielen sinkende Hauspreise der Studie zufolge sogar keine Rolle. Diese Haushalte sind bei der Immobilien-Rally einfach nicht dabei.
Prognosen für die Anleihekäufe nicht unumstritten
Die Studie, ein sogenanntes „Diskussionspapier“ der Bundesbank, das diese nicht als Meinung der Institution verstanden und auch nicht normativ interpretiert sehen will, muss für ihre Untersuchungen von allerhand Annahmen ausgehen, kann dann aber für die Auswirkungen auf die Statistiken über die Vermögen aus dem „Household Finance and Consumption Survey“ (HFCS) zurückgreifen.
Ausgangspunkt ist, dass es so etwas wie eine sogenannte Vermögenspreisinflation durch die Politik der Notenbank gibt – dass also die Hauspreise, aber auch die Preise für andere Geldanlagen wie Aktien oder Anleihen als Folge der Notenbankpolitik gestiegen sind. Das ist konkret für die Anleihekäufe nicht unumstritten, als eine Folge von lockerer Geldpolitik überhaupt aber wohl zu beobachten. Die Autoren der Studie blicken dazu auf die sechs Monate um die Ankündigung und den Beginn der EZB-Anleihekäufe und kommen zu dem Ergebnis, dass in dieser Zeit sowohl die europäischen Aktien, gemessen am Euro Stoxx 50, als auch Anleihen, gemessen etwa an der richtungweisenden Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit, deutlich zugelegt haben.
Im Modell untersuchen die Wissenschaftler der Einfachheit halber einen Anstieg aller Vermögenspreise um zehn Prozent. Und verweisen darauf, schwächere Anstiege führten zu quantitativ, aber nicht qualitativ anderen Ergebnissen. Die Ungleichheit in einem Land messen sie mit dem sogenannten Gini-Koeffizienten, einem statistischen Maß, das von null (hohe Gleichheit) bis eins (extreme Ungleichheit) reicht. Durch den Anstieg der unterschiedlichen Vermögenspreise wiederum ändert sich in ihrer Rechnung der Koeffizient im Euroraum insgesamt und in den einzelnen Ländern in Größenordnungen zwischen null und 1,2 Prozent – letzteres ist zumindest nicht nichts.
Ärmere profitieren in Deutschland kaum
Was die Aktien betrifft, decken sich die Ergebnisse mit früheren Studien etwa des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: Die lockere Geldpolitik beflügelt die Aktienkurse tendenziell (auch wenn diese in allerjüngster Zeit im Gegenteil unter der Entwicklung in China gelitten haben), wovon die Reicheren mehr profitieren als die Ärmeren – einfach, weil sie mehr Aktien haben. Bei den Anleihen (und Sparformen, die sich stark an Anleihen orientieren) scheinen die Auswirkungen auf die Ungleichheit eher vernachlässigbar zu sein. Hier scheint es – so wird das zumindest gedeutet – eine stärkere Verteilung auf alle Vermögensgruppen zu geben. Was die Immobilien betrifft, so hatte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) herausgestellt, dass von den niedrigen Zinsen – von denen umstritten ist, wie stark die Notenbanken dafür verantwortlich sind – auch junge Familien profitieren, die sich für einen Hauskauf stark verschulden und im Augenblick kaum Zinsen für ihr Darlehen zahlen müssen.
Die Bundesbank-Studie stellt nun vor allem die Veränderung des Wertes der Häuser durch die lockere Geldpolitik in den Vordergrund; der Zusammenhang ist vermutlich vorhanden, aber vager und nicht so leicht beweis- und quantifizierbar. Für Europa insgesamt mache dieser Effekt unter den oben getroffenen Annahmen einen Rückgang der Ungleichheit um immerhin 0,6 Prozent aus. Am stärksten ist er in Spanien und Finnland (jeweils minus 1,2 Prozent), aber auch in Portugal (minus 0,9 Prozent). Am schwächsten unter allen Euroländern ist er im „Land der Mieter“, in Deutschland, mit minus 0,2 Prozent: Glücklich also, wer in solchen Zeiten ein Häuschen sein Eigen nennt.