Geldmarkt : Zinsen auf Rekordniveau
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Große Nervosität vor dem Jahresultimo: Die Banken fürchten zum Bilanzstichtag um ihre Liquidität. Doch der Zinsanstieg belastet auch Unternehmen und private Haushalte, die Hypotheken oder Ratenkredite aufgenommen haben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht mit einer ganzen Serie von Refinanzierungsgeschäften, Ruhe in den Geldmarkt zu bringen. Bei den Geldhändlern der Banken ist die Nervosität gleichwohl weiterhin hoch. Die Banken befürchten, am Bilanzstichtag zum Jahresultimo in rufschädigende Liquiditätsnöte zu geraten oder ungünstige Bilanzkennziffern ausweisen zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist der Euribor-Zins für Dreimonatsgeld am Dienstag auf 4,93 Prozent gestiegen, den bislang höchsten Wert in der seit dem Sommer brodelnden Liquiditätskrise.
Neben dem Euribor-Zins für Dreimonatsgeld sind auch die Zinsen für Monats-, Zweimonats- und Jahresgeld ähnlich hochgeschnellt. Darin spiegelt sich, dass derzeit nur wenige Banken bereit sind, anderen Instituten Geld über den Jahresultimo hinaus zu leihen. Ein Grund dafür ist das Misstrauen der Banken untereinander, das durch immer neue Verlustmeldungen - wie nun von der Schweizer Großbank UBS - geschürt wird. Zudem befürchten viele Banken, dass sie aufgrund plötzlicher Kundentransaktionen kurz vor Jahresschluss selbst einen großen Liquiditätsbedarf haben könnten.
Auch private Hypotheken und Kredite sind betroffen
Der Anstieg der Geldmarktzinsen trifft dabei nicht nur die Banken. Denn auch viele variabel verzinsliche Kredite, die Unternehmen aufgenommen haben, orientieren sich am Dreimonats-Euriborzins. Gleiches gilt in einigen Ländern für Hypothekendarlehen. In Spanien zum Beispiel - wo der Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren haussiert hat - werden die Hypothekenzinsen einmal jährlich neu am Euribor-Jahreszins ausgerichtet. Aufgrund dieses Effekts haben sich für mehrere Millionen Haushalte in Spanien und anderen Ländern die Zinsen für Hypothekenlasten in den vergangenen Monaten spürbar erhöht.
Ähnliches gilt für ungezählte Ratenkredite, die Verbraucher aufgenommen haben. Viele Volkswirte erwarten, dass die betroffenen Unternehmen weniger investieren, die betroffenen Haushalte weniger konsumieren werden - und sich die Konjunktur im Euro-Raum deshalb abkühlen wird. Alle Bemühungen der EZB, den wichtigen Dreimonatszins wieder auf Normalhöhe von etwa 0,15 Prozentpunkten oberhalb des Leitzinses zurückzumanövrieren, blieben bislang erfolglos.
Tagesgeldzins unterliegt starken Schwankungen
Der Zins für Tagesgeld - also für Interbankenkredite mit eintägiger Laufzeit - unterliegt seit Ausbruch der Krise ungewöhnlich starken Schwankungen (siehe Graphik). Ein Grund dafür ist, dass viele Banken wegen der allgemeinen Unsicherheit auf ihrem Konto bei der Zentralbank Liquidität horten. Das wiederum führt immer wieder dazu, dass das Gesamtangebot an Liquidität, das die EZB den Banken über Refinanzierungsgeschäfte gegen Zins bereitstellt, nicht ausreicht.
Dann schnellt der Zins für Tagesgeld in die Höhe. An anderen Tagen ist das Angebot aber plötzlich größer als die Nachfrage, so dass der Zins absackt (siehe Grafik). Um den Zins für Tagesgeld nahe an dem von ihr derzeit als angemessenen betrachteten Leitzins von 4 Prozent zu halten, hat die EZB seit dem Sommer regelmäßig zusätzliche Liquidität in den Markt geschleust, bisweilen aber auch abgezogen.
Mindestreservepflicht der Banken erfüllt
In den vergangenen Tagen hat sie nun eine ganze Serie solcher Geschäfte durchgeführt: Am Dienstag, dem letzten Tag der jüngsten Mindestreserveperiode, legten Banken bei ihr 21 Milliarden Euro zum Jahreszins von 4 Prozent für einen Tag an. Am Freitag hatte die EZB über ein ähnliches Geschäft bereits 8 Milliarden Euro Liquidität aus dem Markt gezogen. An diesem Mittwoch werden den Banken dann zwei neue Refinanzierungsgeschäfte gutgeschrieben.
Eines über 60 Milliarden Euro zum Durchschnittszins von 4,88 Prozent mit einer Laufzeit von 92 Tagen. Ein zweites über 218,5 Milliarden Euro zum Durchschnittszins von 4,21 Prozent lauft sieben Tage. Durch diese beiden Geschäfte werden die Banken in den kommenden sieben Tagen rund 35 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben, als sie nach Berechnungen der EZB benötigen werden, um die Mindestresereverpflicht, die Bargeldnachfrage der privaten Kundschaft und andere Aufgaben zu erfüllen.