Gastbeitrag : Rating-Agenturen: Regulierer im Dilemma
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Roman Inderst & Jan Pieter Krahnen: Ein Plädoyer gegen mehr Regulierung Bild: Privat
Für so manchen Beteiligten an der Finanzmarktkrise scheinen sich die Rating-Agenturen als Sündenbock anzubieten. Doch die Forderungen nach mehr Regulierung schießen über das Ziel hinaus, meinen die Frankfurter Wirtschaftsprofessoren Roman Inderst und Jan Pieter Krahnen.
Auf beiden Seiten des Atlantiks schießen sich Finanzmarktregulierer und Politiker auf die Rating-Agenturen ein, ohne dass sich Widerstand regt. Den Banken, die bei der andauernden Finanzmarktkrise keine gute Figur abgaben, kommen die Rating-Agenturen als Sündenbock gerade recht. Lenkt dies doch von Ärgerem wie etwa einer Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften ab.
Und den Rating-Agenturen selbst ist es vielleicht gar nicht so unrecht, wenn eine verschärfte Regulierung Eintrittsbarrieren für mögliche Wettbewerber erhöht und damit die zaghaften Versuche in Richtung mehr Wettbewerb wieder zunichte macht. Diese hatten noch kurz vor der Krise dazu geführt, dass in den Vereinigten Staaten der Kreis der zugelassenen Rating-Agenturen auf sieben erweitert wurde.
Mehr Regulierung führt zu mehr Haftung der öffentlichen Hand
Falsch verstandener Regulierungseifer im Sinne einer Überwachung und Reglementierung der Arbeitsweise der Agenturen schafft eine gefährliche und unerwünschte Folgewirkung: die drohende Mithaftung der öffentlichen Hand bei Kreditausfällen. Allenfalls kann die Finanzaufsicht helfen, die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Ratings zu unterstützen. Wir plädieren deshalb dafür, die Rolle zu überdenken, die Ratings bei der Finanzaufsicht spielen können, und für eine weitgehende Abschwächung des Regulierungsanspruchs.
Was können Rating-Agenturen eigentlich leisten? Es ist ein Irrglaube, dem auch die Neuordnung der Risikoaufsicht unter Basel II zum Teil anhängt, dass die Information aus den Ratings einen direkten Bezug hat zu „systemischem Risiko“ - also zu der Gefahr, dass im Zuge einer Kettenreaktion viele Finanzinstitute gleichzeitig in eine Schieflage geraten.
Tatsächlich gibt das Rating eines Finanzinstrumentes nur Auskunft über die Bonität, das heißt, die Ausfallwahrscheinlichkeit eines einzelnen Instituts oder einer einzelnen Anleiheproduktes. Aus Sicht des systemischen oder Gesamtmarktrisikos kommt es aber darauf an, inwieweit sich diese Einzelausfälle gleichzeitig realisieren. Rating-Informationen geben darüber keine Auskunft.
Ratings eignen sich nur für einfache Einzelfälle
Seit Jahrzehnten werden Ratings auch für den Investorenschutz eingesetzt. Gewisse Vermögen sollen demnach nur in Wertpapiere ab einer gewissen Bonitätsstufe investiert werden. Hier trägt auch die Finanzaufsicht zu einer Nachfrage nach Ratings bei. Das Einspannen der Rating-Agenturen für die Aufsicht sollte sich dabei auf einfache Produkte beschränken. Die aktuelle Krise zeigt, dass bei komplexen Produkten das „Modellrisiko“ erheblich ist und oft ignoriert wird.
Nachdem wir die mögliche Rolle von Ratings einschränkend beschrieben haben, stellt sich die Frage nach den sinnvollen Aufgaben einer Rating-Aufsicht, über die schiere Registrierung hinaus. Diese kann sich einerseits mit dem Arbeitsprozess befassen, also den verwendeten Rating-Verfahren, und andererseits mit dem Arbeitsresultat, also der Angemessenheit der ergangenen Rating-Urteile, der Rating-Qualität.
Überwachung der Rating-Verfahren ist der falsche Weg
Vor jeder Regulierung des erstgenannten Arbeitsprozesses, etwa im Sinne einer Verfahrensüberwachung bei Rating-Agenturen, können wir nur warnen, weil sich daraus eine Mitverantwortung des Staates für veröffentlichte Rating-Urteile begründet. Dies ist unvereinbar mit privatwirtschaftlich organisierten Rating-Agenturen.