Volkswirt im Gespräch : „Helikoptergeld ist Quatsch“
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Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg-Bank Bild: dpa
Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg-Bank, ist ein Befürworter der lockeren Geldpolitik. „Helikoptergeld“ hält aber selbst er für unsinnig.
Von Zinswende keine Spur: Binnen gut einer Woche haben die wichtigsten Notenbanken der Welt ihre geldpolitischen Entscheidungen getroffen. Die Geldflut wollte niemand begrenzen. Zu Recht, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Ein Gespräch über den Einfluss, die Risiken und die Grenzen einer Geldpolitik, die über sieben Jahre nach der Lehman-Pleite immer noch im Krisenmodus ist.
Welche Notenbank hat Sie persönlich in den vergangenen Tagen am meisten überrascht?
Das war die Europäische Zentralbank (EZB). Ich habe nicht gedacht, dass sie ihre Geldpolitik so umfassend lockern würde. Vor allem hat mich gefreut, dass sie schon jetzt ihre Anleihekäufe auf Unternehmen ausgeweitet hat. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie dieses Instrument noch länger als Trumpf im Ärmel behalten würde.
Das klingt so, als wäre die Munition von EZB-Chef Mario Draghi jetzt alle. So haben das die Märkte wohl auch verstanden. Nach kurzer Euphorie stieg der Euro, wie bei einer geldpolitischen Straffung.
Erst hoch, dann runter, dann wieder hoch. Das zeigt, wie schwer es Notenbankern und Märkten manchmal fällt, einander zu verstehen. Aber ich glaube nicht, dass der EZB die Munition ausgeht. Draghi nimmt die Probleme der Banken durch die Negativzinsen sehr ernst. Das Instrument der Zinsen scheint weitgehend ausgereizt zu sein. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, auf den Ankauf von Unternehmensanleihen zu setzen, um direkter auf die Realwirtschaft zu wirken.
In den USA hat die Notenbank Fed Schwung aus der Zinswende genommen. Ist Fed-Chefin Janet Yellen mit dem Versuch gescheitert, mit Zinserhöhungen zu beginnen?
Gescheitert ist sie mit der Zinsanhebung vom Dezember nicht, die amerikanische Konjunktur hat das gut verkraftet. Yellen hat jetzt aus guten Gründen abgewartet. Sorgen um China und die Turbulenzen an den Finanzmärkten zum Jahresbeginn haben die Stimmung getrübt. Vermutlich wird der nächste Schritt im Juni kommen.
Viele Ihrer Kollegen sehen die lockere Geldpolitik eher als Gefahr für die Konjunktur. Sie fürchten Blasenbildungen an den Finanzmärkten bis hin zu einer neuen globalen Krise.
Diese Risiken nehme ich durchaus ernst, vor allem mit Blick auf den Häusermarkt. Aber sehen wir uns die Fakten an: Im Euroraum gibt es keine überzogene Vergabe von Immobilienkrediten und damit keine Blase. Im Gegenteil. Das Kreditvolumen wächst zu langsam. Anders sieht es in Großbritannien aus. Dort könnte der heiß gelaufene Immobilienmarkt vor allem im Falle eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union einbrechen. Auch in der Schweiz gibt es erhebliche Risiken. Kein Wunder, dass die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England am Donnerstag stillgehalten haben.
Manch einer sieht das wahre Motiv der lockeren Geldpolitik darin, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu befeuern. Befinden wir uns in einem Währungskrieg?
Nein, wir haben keinen Währungskrieg. Die Notenbanken wollen ihre Währungen nicht künstlich schwächen, sondern sie reagieren auf konjunkturelle Probleme. Und ich denke, dass die Medizin auch wirkt. In der Eurozone beispielsweise legt die Kreditvergabe inzwischen wieder zu, wenn auch nur etwas. Allzu viel darf man von den Notenbanken auch nicht erwarten. Sie können für Trendwachstum sorgen, aber nicht für einen Boom.
Zeigt nicht Japan, dass die lockere Geldpolitik am Ende ist? Dort wurden die Geldschleusen nicht weiter geöffnet.
Japan ist ein Extremfall. Die Japaner haben sich so sehr an die Null-Inflation gewöhnt, dass die Geldpolitik kaum noch wirkt. Ohne Strukturreformen kann Japan kein besseres Wachstum erreichen.
Unter Experten wird das sogenannte Helikoptergeld diskutiert, also direkte Geldüberweisungen der Notenbanken an Bürger oder Staat.
Das mit dem Helikoptergeld ist Quatsch. Wirtschaftlich ist es nicht nötig. Politisch würde man damit einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Es würde die Illusion nähren, die Notenbank könne für die Bürger einfach immer mehr Geld drucken und damit die Probleme lösen.