Anlegerbetrug m Internet : Lange Haft für Cyberkriminelle
- -Aktualisiert am
In Handschellen: Einige Verurteilte werden Jahre im Gefängnis einsitzen müssen. Bild: dpa
Das Landgericht Koblenz verhängt Strafen von bis zu sieben Jahren gegen eine internationale Bande. Die harte Gangart wegen des Betrugs im Cybertrading kann Vorbild für andere Gerichte sein – eine weitere Anklage liegt schon vor.
Für Privatanleger muss das Versprechen des Anbieters mit dem Namen „KontoFX“ in der Niedrigzinsphase vor wenigen Jahren ein Heilsbringer gewesen sein. Die Online-Plattform versprach ihren Kunden risikoarme Investments und gute Renditen. Für die Eröffnung eines Handelskontos waren nur 250 Euro fällig. Eine intensive Betreuung durch ein Callcenter und eine zusätzliche Police sollten den Anlegern das Gefühl vermitteln, dass ihr Geld in sicheren Händen sei.
Tatsächlich fielen mindestens 200 Kapitalanleger aus ganz Deutschland auf den Schwindel einer internationale Betrügerbande herein, die zwischen den Jahren 2014 und 2020 noch weitere, vergleichbare Websites für den Handel mit Kryptowährungen, Forex und hochspekulativen Differenzgeschäften betrieb. Im Laufe eines Strafprozesses musste die Höhe des anfänglich angenommenen Schadens von 30 Millionen Euro allerdings deutlich nach unten korrigiert werden. Der Schaden soll sich auf mindestens sieben Millionen Euro belaufen, heißt es in einem aktuellen Urteil des Landgerichts Koblenz. Nach mehr als vier Monaten Prozessdauer verurteilte die erste Strafkammer in dieser Woche fünf Männer und zwei Frauen wegen Anlagebetrugs im Internet zu teils langen Haftstrafen. Die beiden geständigen Hauptangeklagten wurden wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in mehreren Fällen zu sieben beziehungsweise fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Lediglich in zwei Fällen setzte die Kammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung aus (Az. 5 Js 98/20 1 KLs).
Ermittler sprechen von „Phänomen“
Deutliche Haftstrafen für die Hintermänner, die häufig aus Südosteuropa und Israel stammen – es ist nur das jüngste Beispiel aus einer Reihe von Strafverfahren zum organisierten Betrug beim Cybertrading. Von einem „Deliktsphänomen“ sprechen Ermittler an den verschiedenen Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Cyberkriminalität, die die Justizverwaltungen der Länder aufgebaut haben.
Zehntausende Privatanleger sollen allein in Deutschland betroffen sein, die Zahl der Geschädigten dürfte deutlich höher sein, schätzte unlängst die in Bamberg ansässige Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB). Strafverfolger gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Anleger Laien in der privaten Vermögensbildung sind, den eigentlichen Betrug zu spät realisieren oder diesen irrtümlich für die Verwirklichung eines Marktrisikos halten.
„In der Anonymität des Cyberraums können Straftaten besser verschleiert, betrügerische Anlageprodukte wie beim Cybertrading effizienter beworben und kriminelle Erträge wesentlich schneller erzielt werden als in der analogen Welt“, berichtet das Bundeskriminalamt in seinem im Jahr 2021 veröffentlichten Lagebericht zur Wirtschaftskriminalität. Darin legt die Bundesbehörde auch das straff durchorganisierte Vorgehen der Handelsplattformen offen. Der häufige Einstieg findet über das Bewerben der Angebote im Internet und in den Sozialen Netzwerken statt, häufig unter Zuhilfenahme von „Testimonials“, also Prominenten, oder anhand von Ausschnitten aus bekannten TV-Formaten – im Regelfall wissen sie nichts von zweckwidrige Verwendung.
Geld hielt Schneeballsystem am Laufen
Die Kunden wähnten sich bei den vermeintlich seriösen Finanzinstrumenten in Sicherheit. Sie investierten teils bis zu fünfstellige Beträge im Monat. Nur so konnten die Betreiber der betrügerischen Plattformen, hinter denen Schneeballsysteme standen, eingezahltes Kapital von Neu-Kunden umverteilen und Alt-Kunden vermeintliche Anfangserfolge auszahlen – zu einer Anlage der anvertrauten Gelder ist es nie gekommen, sind sich Staatsanwälte in zahlreichen Parallelverfahren einig.
Für die Betrugsopfer bedeutet dies meist einen Totalausfall. Die Spur zu ihrem Geldern verliert sich: Die Täter leiteten die Millionenbeträge auf andere Konten in ihrem Firmengeflecht um, häufig fand ein Umtausch in Kryptowährungen statt. In dem Koblenzer Fall haben die Geschädigten vielleicht noch „Glück im Unglück“. Nach Berichten des SWR hat einer der Hauptangeklagten im Laufe des Strafverfahrens einen Großteil der erlangten Tatbeute wieder zurückgezahlt.
Die nun Verurteilten sollen sich zeitnah wieder vor Gericht verantworten. Die ZCB hat Anklage wegen Betrugs auf anderen Online-Plattformen erhoben. Die Anklagebehörde kann beachtliche Erfolge vorweisen – sie hatte im Umfeld des „Wolf of Sofia“ ermittelt; allein diese Bande soll Anleger um einen dreistelligen Millionenbetrag geprellt haben. 2022 verurteilte das Landgericht München einen zentralen Kopf der Organisation zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft.