Demographie : Die Weißen in Amerika fühlen sich bedroht
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Sie sind vor allem eines: weiß. Trumps Unterstützer fürchten den demographischen Wandel. Bild: AFP
Regierungsstatistiker haben ermittelt, dass Amerikas Weiße in ziemlich genau 25 Jahren nicht mehr die Mehrheit bilden. Trump versteht, mit ihrer Angst umzugehen.
Zwei Begebenheiten in Washington haben in jüngster Zeit das Bedrohungsgefühl zum Ausdruck gebracht, das manche weißen Männer in den Vereinigten Staaten empfinden. Am 27. April veranstaltete der bekannte Buchladen „Politics and Prose“ eine Lesung. Ein Autor erzählte, warum es den Weißen im Mittleren Westen schlecht geht und warum die Republikaner daran Schuld haben. Plötzlich standen neun Männer und eine Frau auf, stellten sich vors Publikum, um zu skandieren: „This is our land“ (Das ist unser Land). Dann verließen sie den Raum rhythmisch „Aim“ rufend: Das Kürzel steht für die rechts-radikale American Identity Movement.
Es war eine gespenstische Szene, die an finstere Störmanöver der Nazi-Zeit erinnerte. Denn sie kam so unerwartet in dieser zutiefst linksliberalen Stadt.
Die andere Begebenheit hing mit Aussagen des konservativen Ökonomen und Trump-Anhängers Stephen Moore zusammen, den der amerikanische Präsident Donald Trump zum Mitglied des Direktoriums der Notenbank Federal Reserve machen wollte. Der Personalvorschlag stieß aus vielen Gründen auf heftige Kritik. Besonders harsch gerügt wurde aber eine ältere Aussage: Moore hatte den Reallohnverlust weißer Männer und deren bedrohte Rolle als Hauptversorger der Familie als eines der größten wirtschaftspolitischen Probleme hervorgehoben. Im gleichen Atemzug hatte er darauf hingewiesen, dass die Löhne der Frauen gestiegen seien.
Das war ein heikler Konnex, weil linksliberale Politiker und Medien aktuell lieber die Ungerechtigkeiten debattieren, die dazu führen, dass Frauen generell weniger verdienen als Männer. Republikanische Senatorinnen wendeten sich von Moore ab, damit hatte seine Nominierung kaum noch eine Chance.
Ein Datum entfacht Aufregung
Die Prognose ist nicht schwierig, dass mancher Mann die letzte Episode als weiteres Zeichen nimmt, dass die Verhältnisse gegen ihn gerichtet sind. Amerika kann unter Trump zwar volkswirtschaftliche Kennziffern präsentieren, um die das Land beneidet wird. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Niveau seit 49 Jahren, das Wachstum ist gut, die Steuern sind niedrig, Börsenkurse hoch. Das riesige staatliche Budgetloch hat bisher wenige Auswirkungen im Alltag gezeigt. Eigentlich alles scheint bestens.
Und doch rumort es unter Weißen. Der demografische Wandel der Vereinigten Staaten beunruhigt viele. Ein Datum entfacht Aufregung und Besorgnis: Regierungsstatistiker haben ermittelt, wann die Weißen nicht mehr die Mehrheit in der amerikanische Gesellschaft bilden werden. Das wird ziemlich genau heute in 25 Jahren sein.
Schon jetzt sind in vier der 50 Bundesstaaten Nicht-Weiße in der Mehrheit. Neben Hawaii und New Mexico sind das die beiden größten Bundesstaaten Kalifornien und Texas. Im kommenden Jahr 2020 wird es bereits in der Altersgruppe von null bis 18 Jahren mehr Nicht-Weiße als Weiße geben.
Weiße sind pessimistischer
Das könnte die Gesellschaft eines Einwanderungslandes mit Gelassenheit hinnehmen. Studien zeigen aber eindeutig, dass Weiße den demografischen Wandel als Bedrohung ihres Status als dominante ethnische Gruppe sehen. Sie äußern sich häufiger negativ gegen ethnische Minderheiten und identifizieren sich stärker mit konservativer Ideologie und konservativen Politik-Vorschlägen. Und sie verlangen heftiger als früher, dass sich Einwanderer assimilieren. Das zeigen unter anderem Studien der Yale-Soziologin Jennifer Richeson. Gleichzeitig scheint das Assimilationstempo der Immigranten abzunehmen. Sie lernen nicht mehr so schnell Englisch wie frühere Generation, besonders, wenn sie zu großen Einwandergruppen gehören.
Die Demoskopen von Pew Research haben kürzlich ermittelt, dass knapp 60 Prozent der weißen Republikaner und immerhin 45 Prozent der weißen Demokraten finden, eine nicht-weiße Mehrheit werde die amerikanische Kultur schwächen. Mit anderen Worten: Eine große Gruppe weißer Amerikaner fühlt sich schlicht unwohl beim Gedanken größerer Diversifizierung.
Die aber kommt fast zwangsläufig, weil Asiaten und Lateinamerikaner weiter einwandern und die Minderheiten leicht höhere Geburtenraten haben als die Weißen.
Die Besorgnisse der weißen Männer richten sich auf den möglichen Statusverlust angesichts wachsender Konkurrenz: Es geht ihnen, legt man ökonomische und soziologische Daten zu Grunde, besser als den meisten anderen Gruppen. Aber sie haben mehr zu verlieren. Deshalb sind Weiße auch pessimistischer was die Zukunft des Landes angeht als Schwarze und Hispanics.
Gesunkene Lebenserwartung
In einigen Bereichen allerdings haben die Weißen jetzt schon das Nachsehen. Asiaten erzielen höhere Einkommen als Weißen und sie haben auch eine geringere Arbeitslosenquote. Furore machten die Untersuchungen des Ökonomen Angus Deaton, dass für Weiße in den vergangenen drei Jahren die Lebenserwartung gesunken ist, stärker als bei jeder anderen Gruppe. Die auffällige Gruppe ist nicht die der Alten, sondern die der 24 bis 64 Jahre alten weißen Männer ohne höheren Bildungsabschluss: Ihre Zahl hat sich mehr als andere Gruppen dezimiert durch Suizide, Alkoholismus und Opium-Drogen. Sie sterben an Verzweiflung, wie Deaton es ausdrückte. Einige Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen höherer Erwerbsbeteiligung der Frauen und wachsender Verzweiflung der Männer.
Weiße Männer ohne Hochschulabschluss wählen zu zwei Drittel republikanisch. Sie bilden die Kerntruppe der Trump-Unterstützer. Sie werden befeuert von Trumps Anti-Immigrationspolitik und seinem Protektionismus. Und sie stellen in den Schlüsselstaaten wie Pennsylvania, Michigan, Minnesota und Wisconsin, die Demokraten besser gewinnen sollten, wenn sie das Weiße Haus zurück erobern wollen, große Bevölkerungsanteile. Hier ist der Weißen-Anteil noch bei etwa 80 Prozent, in Michigan bei 75 Prozent. Trump hat es bisher verstanden, den Missmut dieser Gruppe in Zustimmung zu verwandeln.