Zäsur in der Geldpolitik : Amerikanische Notenbank senkt Leitzins erstmals seit 10 Jahren
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Präsident Trump hatte unmissverständlich klar gemacht, dass er von Fed-Chef Jerome Powell eine Zinssenkung erwarte. Bild: dpa
Erstmals seit der Finanzkrise senkt die Fed wieder die Zinsen. Handelskonflikte und ein langsameres Wachstum in den Vereinigten Staaten machen der Zentralbank Sorgen. Fraglich blieb bis zuletzt aber das Ausmaß der Zinssenkung.
Die amerikanische Notenbank hat am Mittwoch erstmals seit rund zehn Jahren ihren Leitzins gesenkt. Nach der Rücknahme um 0,25 Prozentpunkte soll sich der Zins künftig zwischen 2 und 2,25 Prozent bewegen. Mit ihrem Verweis auf fortdauernde Unsicherheiten für die wirtschaftliche Entwicklung stellt die Fed weitere Zinssenkungen in Aussicht. Das geldpolitische Lockerungspaket der amerikanischen Notenbank umfasst daneben ein Ende der Reduzierung ihrer Anleihebestände schon zum 1. August und damit zwei Monate früher als bisher beabsichtigt. Nach der Bekanntgabe der geldpolitischen Entscheidungen wertete der Dollar am Devisenmarkt leicht ab. Die Kurse von Aktien und Anleihen reagierten nur wenig auf die Nachrichten aus Washington, da an den Wertpapiermärkten eine Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte als wahrscheinlich galt.
Die Notenbank begründete ihre Beschlüsse mit Risiken für die ansonsten weiterhin robuste Konjunktur sowie mit dem schwachen Inflationsdruck. Der von der Fed stark beachtete Preisindex für die Konsumausgaben der privaten Haushalte wächst derzeit mit einer Jahresrate von 1,4 Prozent. Die Fed strebt eine Wachstumsrate von 2 Prozent an.
Trumps Handelspolitik als Ursache
"Donald Trump ist tatsächlich der Grund für die nun erfolgte Zinswende der Fed", kommentierte Friedrich Heinemann, Ökonom am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. "Allerdings ist der Zusammenhang deutlich anders, als es dem amerikanischen Präsidenten lieb sein könnte. Die Entscheidung von Fed-Chef Jerome Powell und seinen Kollegen ist keine Reaktion auf Trumps verbale Interventionen, sondern auf seine folgenschwere und für die Vereinigten Staaten hochgradig schädliche Handelspolitik." Donald Trump hatte die Fed zu einer deutlichen Zinssenkung und zur Einstellung des Abbaus ihrer Anleihebestände aufgefordert. Der Vorsitzende der Fed, Powell, hatte die Zinssenkung ausdrücklich auch mit der durch die Handelspolitik ausgelösten Unsicherheit begründet. Unternehmer erzählten der Fed, dass sie wegen dieser Unsicherheit überlegten, Investitionen zurückzustellen, sagte Powell.
Auch wenn Powell gute Aussichten für eine Fortsetzung des mittlerweile zehnjährigen Konjunkturaufschwungs sieht, wird an den Finanzmärkten eine Verlangsamung des amerikanischen Wirtschaftswachstums erwartet. Bis Januar 2020 gelten drei Leitzinssenkungen der Fed um jeweils 0,25 Prozentpunkte als wahrscheinlich; im Verlauf des Jahres 2020 könnte noch eine weitere folgen. Dies würde vermutlich auch die Anleiherenditen weiter unter Druck setzen. Mittlerweile sind einzelne Stimmen zu hören, die sogar für die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen einen Fall auf die Null-Linie für möglich halten.
Eine Lockerung der amerikanischen Geldpolitik hat nach aller Erfahrung Folgen für die Finanzmärkte rund um den Globus. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte sich in der Absicht von Präsident Mario Draghi bestärkt sehen, ihre eigene Geldpolitik in absehbarer Zeit weiter zu lockern, wobei sowohl Senkungen des Leitzinses als auch eine Wiederaufnahme des Programms zum Kauf von Anleihen als möglich gelten.
„Wir haben noch vielfältige Mittel“
In Tokio hat sich der Gouverneur der Bank von Japan, Haruhiko Kuroda, gegen den Eindruck gewandt, sein Institut besitze keine Möglichkeit mehr, die Geldpolitik bei Bedarf weiter zu lockern. „Wir haben noch vielfältige Mittel“, bekräftigte Kuroda, ohne aber nähere Angaben zu machen. In Tokio ist die Sorge zu hören, dass eine Leitzinssenkung der Fed am Devisenmarkt zu einer ungebührlich starken Aufwertung des Yens gegenüber dem Dollar führen könnte.
Die Fed hatte etwa zum Jahreswechsel eine bemerkenswerte geldpolitische Wende eingeleitet, nachdem zuvor die Aktienkurse stark gefallen waren und Trump deutliche Kritik an der Notenbank geäußert hatte. Damals kursierten sogar Gerüchte, Trump habe von Beratern eine Entlassung Powells prüfen lassen, die er dann aber nicht versuchte. Hatten an den Finanzmärkten bis dahin Erwartungen auf weitere Leitzinserhöhungen dominiert, verwies die Fed nun auf internationale Spannungen als Ursache für wachsende heimische Risiken. Dies waren kaum verhüllte Hinweise auf die Folgen der von Trump erzeugten Spannungen in der Außenhandelspolitik. Prompt verschwanden an den Märkten die Erwartungen auf steigende Leitzinsen; von nun an galten sinkende Zinsen als möglich. Zudem stellte die Fed die Einstellung ihres Abbaus der Anleihebestände um monatlich 50 Milliarden Dollar in Aussicht. Prompt kehrte sich die Tendenz an der Wall Street um.
Die deutlich gefallenen Aktienkurse an der Wall Street erholten sich prompt; mittlerweile streben sie von einem historischen Höchststand zum nächsten. Die Anleiherenditen sanken auch in den Vereinigten Staaten, am Devisenmarkt wertete der Dollar ab, und alle Erwartungen eines Einbruchs des Wirtschaftswachstums erwiesen sich als unzutreffend. Trump dürfte sich durch diese Entwicklung in seiner Einschätzung der Geldpolitik bestätigt sehen und wünscht sich mit Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr eine Fortsetzung des neuen Kurses. Eine Konjunkturschwäche könnte seine Chancen auf eine Wiederwahl deutlich reduzieren. Inwieweit die Fed dem Drängen widerstehen kann, muss sich zeigen.