Kurznachrichtendienst : Lohnt sich Twitter noch?
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Was war noch mal Twitter? Bild: AP
Der Kurznachrichtendienst Twitter tut sich schwer, Gewinn zu machen. Aber hat noch viel Geld. In dieser Situation griff ein anderer Konzern zu einer radikalen Maßnahme.
Twitter ist ein umstrittenes Unternehmen. Nicht etwa das Angebot – das nutzen täglich mehr als 300 Millionen Menschen. Eine Welt ohne Twitter? Kaum denkbar. Die Frage ist eine andere: Kann das Unternehmen Twitter eigentlich Geld verdienen? Seit Jahren zweifeln Analysten daran. Jetzt hat Twitter angekündigt, neun Prozent aller Stellen zu streichen.
Zwar interessieren sich namhafte Konzerne für Twitter. Salesforce steht auf der Käuferliste, auch Google, Microsoft, Apple und Walt Disney – doch letztlich haben alle abgewunken.
Grund sind die massiven Zweifel daran, dass aus dem interessanten Dienst Twitter auch ein rentables Unternehmen zu machen ist. Zwar spielt Twitter Werbung aus, doch diese wird von den Nutzern unterdurchschnittlich beachtet. Das macht Twitter als Werbemedium weniger interessant. Zu allem Überfluss stagniert die Nutzerzahl seit bald zwei Jahren.
Der Aktienkurs leidet
Der Aktienkurs hat darunter sehr gelitten. Wurden bei der Emission vor drei Jahren noch 26 Dollar für die Aktie bezahlt und stieg der Kurs in den Wochen danach bis auf 70 Dollar, so ging es seitdem abwärts. Im Mai waren es nur noch 14 Dollar, am Dienstag ging die Aktie mit 17,26 Dollar aus dem Handel.
Am Donnerstag steigt der Kurs in Europa um 3 Prozent. Grund sind bessere Ergebnisse als erwartet. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 8 Prozent auf 616 Millionen Dollar – Analysten hatten nur mit einem Plus von 6 Prozent gerechnet.
Allerdings muss man sich am Unternehmenssitz in San Francisco keine akuten Sorgen machen. Immer noch ist das Unternehmen den Anlegern 12 Milliarden Dollar und damit das Fünfeinhalbfache des Vorjahresumsatzes wert. Zum Vergleich: Der weltgrößte Chemiekonzern BASF ist mit 73 Milliarden Euro und damit etwa seinem Umsatz bewertet.
Zudem ist Twitter immer noch komfortabel finanziert. Zwei Milliarden Dollar hat der Börsengang 2013 eingebracht. Zusammen mit anderen Mittelzuflüssen konnte Twitter damals ein Nettovermögen von zwei Milliarden Dollar anhäufen. 2014 kamen noch Erlöse aus einer Wandelanleihe hinzu, so dass dieses Nettovermögen trotz Verlusten von 1,3 Milliarden Dollar seit dem Börsengang nur geringfügig geschrumpft ist.
Die Eigenkapitalquote liegt bei 66 Prozent, wobei drei Viertel der Schulden aus Wandelanleihen bestehen, also eigenkapitalähnlichen Charakter haben. Geht man weiter von Verlusten in Höhe von 500 Millionen Dollar pro Jahr aus, könnte Twitter noch bis Juni 2020 so weitermachen, ohne sich Geld leihen zu müssen.
Kann Twitter Geld verdienen?
Die Frage ist natürlich, ob das die beste Option ist. Operativ hat Twitter bisher noch kein Geld verdient. Im Gegenteil: In den vergangenen sechseinhalb Geschäftsjahren lief ein Verlust von insgesamt mehr als einer Milliarde Dollar auf. Angesichts dieser Lage taucht auf einmal wieder eine Frage auf, die man sich schon vor 15 Jahren stellte: Kann man im Internet eigentlich Geld verdienen? Nun, man kann, aber nicht jeder. Dann ist auch egal, wie komfortabel das Liquiditätspolster ist.
In einer ähnlichen Situation wie Twitter ist ein anderes Unternehmen einen ganz anderen Weg gegangen: Es hat das operative Geschäft eingestellt und die vorhanden Mittel den Aktionären zurückgegeben. Es war sogar ein Internet-Unternehmen: Lycos Europe.
Lycos Europe – erfolglos erfolgreich
Das einstige Internet-Portal war im Jahr 2000 die zweitbeliebteste Web-Einstiegsseite Deutschlands, noch vor Altavista und web.de, und sah sich selbst als führendes Internet-Portal in Europa. Über mangelnde Nutzung oder Seitenzugriffe konnte sich Lycos nicht beschweren. An Geld fehlte es gleichfalls nicht: 672 Millionen Euro hatte das Unternehmen bei seinem Börsengang im Jahr 2000 erlöst.
Doch die erhofften und prognostizierten Gewinne blieben aus. Im Gegenteil: Im Jahr des Börsengangs betrug der Verlust eine Milliarde Euro. Da dies aber nicht alles zahlungswirksam wurde, schmolz das Geld aus dem Börsengang langsamer dahin: 2001 waren immer noch 290 Millionen Euro da. 2008, als der Vorstandsvorsitzende Christoph Mohn den Beschluss fasste, das Portal zu verkaufen oder zu schließen, waren immerhin noch 70 Millionen Euro in der Kasse.
Bis 2013 schüttete das Unternehmen, das heute Jubii heißt, noch knapp 100 Millionen Euro an die Aktionäre aus – was der 2001 zum Pennystock verkommenen Aktie vorübergehend Dividendenrenditen von bis zu 890 Prozent verlieh.
Wenn Twitter diesen Schritt tatsächlich ginge, bekämen die Aktionäre am Ende noch etwas mehr heraus als die von Lycos Europe. Diese hatten seinerzeit 24 Euro für die Aktie bezahlt, an Ausschüttungen bekamen sie 35,28 Cent. Hätte Lycos schon 2001 das Handtuch geworfen, wäre vielleicht noch annähernd die Hälfte des Preise herumgekommen. Aber Lycos hat alles Probiert. Es wurde auch über eine Übernahme durch die Großaktionäre Bertelsmann oder Terra-Lycos gesprochen. Da befand sich Lycos Europe schon lange auf Sparkurs. Auch später fand sich kein Käufer.
Man muss zwar konstatieren, dass Twitter besser dasteht, als Lycos Europe es getan hat. Aber ob es am Ende reicht, um zu einem rentablen Unternehmen zu reifen, muss sich noch zeigen. Twitter bemüht sich derzeit durch Partnerschaften und Übernahmen im Vermarktungs- und Werbebereich seine Erlösbasis zu verbessern. Doch davon zielen manche Dienste etwa auf nicht-registrierte Nutzer, was ein begrenztes Erlöspotential zu bieten scheint. Insgesamt bleibt auch dann fraglich, ob die Verbindung mit einem verlustbringenden Kurznachrichtendienst zukunftsträchtig ist.