Energieversorgung : Spekulationsgenerator setzt Versorger-Aktien unter Strom
- Aktualisiert am
Eons Schatten lauert über der Branche Bild: AP
Versorgeraktien galten in den vergangenen Jahren als sichere Werte dank hoher Gewinne und Dividenden. Doch je schneller die Übernahmespekulationen wechseln, desto mehr verkommen die Papiere zu Zockerwerten.
Versorger waren eine der großen Börsenstories der vergangenen Jahre. Die Kinder, die sich in der Technologie-Hausse die Finger verbrannt hatten, begannen sich Ende 2002 instinktiv in der sicher anmutenden Bastion (halb-)staatlicher (Quasi-)Monopolisten zu verbarrikadieren.
Und es erging ihnen gut. Seit 2003 hat keine Versorger-Aktie ein Minus eingefahren. Im Gegenteil: Im Schnitt brachten sie es seit dem Jahresbeginn 2003 auf ein Kursplus von 131 Prozent. Läßt man Gasversorger und die schwächere italienische Enel beiseite, so brachten es alle Aktien auf einen dreistelligen prozentualen Zuwachs (siehe Infografik).
Liberalisierung kam den Konzernen zugute
Die Musik machte dabei eindeutig der Strom und dies ist ein Folge der Liberalisierung der Märkte. Wobei man so recht von einer Liberalisierung nicht sprechen mag. Dieser Eindruck entsteht alleine schon beim Vergleich der Stromrechnungen der vergangenen Jahre. Und was schlecht für den Verbraucher ist, ist gut für die Konzerne und damit für die Aktien.
Die breite Hausse zeigt, daß etwas schief gelaufen sein muß. Hätte die Liberalisierung zu mehr Wettbewerb geführt, so hätten die etablieren Versorger Marktanteile verlieren müssen oder in zunehmender Preiskonkurrenz ihre Gewinnmargen erodieren müssen. Dann wären die Kurse wohl gefallen oder zumindest nicht auf solcher Breite gestiegen.
Statt zu mehr Wettbewerb hat die Liberalisierung dazu geführt, daß ein staatlich kontrolliertes bzw. in anderen Ländern im Staatsbesitz befindliches vermachtetes Oligopol oder Monopol auf den Markt losgelassen wurde. Die Konzerne nutzten ihre Macht, um sich rechtzeitig breit aufzustellen. So wurden aus den Gemischtwarenladen Veba, Viag usw. rasch die die Versorger Eon und RWE.
Unser täglich' Gerücht gib uns heute
Diese genossen im Vergleich zu den Staatsmonopolen anderer Länder auch noch den Vorteil, sich dabei nicht lange vom Versorgungsamt zum Wirtschaftsunternehmen umstrukturieren zu müssen und konnten den Markt rasch aufteilen.
Damit vermochten alle Konzerne gut zu verdienen und ihre Gewinne deutlich zu steigern (siehe Infografik). Mit diesen Gewinnen in den Kassen läßt sich gut auf Expansionstour gehen und in anderen Ländern zukaufen, um die eigene Position gegen Konkurrenten abzuschotten.
Das Karussell der Vergangenheit und Gegenwart und das der Spekulationen ist dabei kaum noch zu überblicken. Gas Natural will Endesa, Eon will Endesa auch und Endesa will beide nicht. Enel will angeblich Gas Natural helfen, aber die Spanier lehnen das ab. Jetzt wird spekuliert, Gas Natural könnte ein Angebot für Iberdrola machen, die ihrerseits angeblich ein Angebot für den Anteil der Total SA an zwei französischen Gasversorgern abgegeben haben. Enel will offenbar die Suez-Tochter Electrabel kaufen - oder vielleicht doch gleich den ganzen Konzern.
Zweifel an der künftigen Ertragsstärke
Fast jeder könnte jeden kaufen, keiner will gekauft werden, die Politik will nationale Konzerne und keine ausländischen Beteiligungen. Es geht zu wie beim Räuber-und-Gendarm-Spiel, und vor lauter aufgewirbeltem Staub sieht man nicht mehr, was eigentlich passiert.
Denn auf der Ertragsseite sieht es gar nicht mehr so günstig aus. Schon vor Monaten warnten Analysten, daß ein neuer „Capex-Zyklus“ bevorstehe, die Unternehmen künftig wieder verstärkt investieren müssen und auf diese Weise Unternehmensgewinne und Dividenden niedriger ausfallen.
In Spanien etwa wurden bereits im Vorjahr die aktuellen Re-Investitionsausgaben der beiden großen Versorger Iberdrola und Endesa nur auf etwa die Hälfte des langfristig aufrecht zu erhaltenden Niveaus geschätzt, und auch das Niveau der Neu-Investitionen ragte nicht aus dem europäischen Durchschnitt heraus. Demgegenüber wuchs der Energiebedarfs in Spanien zuletzt mit einer Rate, die das Land zuletzt 1973 gesehen hatte.