Neuer Rückschlag : Anleger wetten auf endgültiges Scheitern der Börsenfusion
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Brexit der anderen Art: Die LSE ist raus aus der Fusion. Bild: Reuters
Auch im dritten Anlauf sieht es nicht gut aus für die geplante Fusion der Börsen in Frankfurt und London. Obwohl Brüssel noch entscheiden muss, geben Anleger bereits die Hoffnung auf.
Der geplante Zusammenschluss der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE) steht vor dem Aus. Hintergrund ist die Weigerung des Londoner Börsenbetreibers, den Mehrheitsanteil an der italienischen Anleihen-Handelsplattform MTS zu veräußern. Diesen Schritt verlangen die EU-Wettbewerbshüter. „Angesichts der bisherigen Haltung der Kommission geht die London Stock Exchange Group nicht davon aus, dass die Kommission die Fusion genehmigen wird“, erklärten die Londoner in der Nacht zum Montag.
Die Anleger reagierten auf die Nachricht mit Aktienverkäufen. Die Kurse der Aktie der Deutschen Börse und der London Stock Exchage geben um mehr als 3 Prozent nach.Die Tatsache, dass die Kursreaktionen eher gemäßigt ausfallen, beruht darauf, dass die Aktien beider Unternehmen zuletzt keine hohe Wahrscheinlichkeit eines Fusionserfolges mehr eingepreist hatten, so die Analysten des Investmenthauses Keefe, Bruyette & Woods.
Name | Kurs | % |
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LONDON STOCK EXCHANGE | -- | -- |
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Analysten sehen in einem Sacheitern der Fusion kein großes Problem. Die Anleger dürften sich bei der Deutschen Börse jetzt wieder mehr aufs Tagesgeschäft konzentrieren, meint Christoph Blieffert von der Commerzbank. Genauso wie Martin Price von der Schweizer Bank Credit Suisse sieht Blieffert die Aktien der Londoner Börse positiver. Diese stehe auch bei dem nun wahrscheinlichen Scheitern der Fusion alleine gut da, so Price. Die Deutschen treffe es weitaus härter, da die Verschmelzung eine effektive Möglichkeit gewesen wäre, Risiken des Derivategeschäfts im Zuge der neuen Regulierungsbestimmungen MiFID2 abzumildern.
Knackpunkt Italien
Deutsche Börse und LSE wollen den größten europäischen Börsenbetreiber schmieden. Brüssel hatte Ende September eine vertiefte Prüfung des geplanten Zusammenschlusses eingeleitet. Die EU-Behörde hatte unter anderem die Sorge, dass durch die Zusammenlegung der Clearinghäuser der beteiligten Unternehmen etwa bei Anleihegeschäften der Wettbewerb ausgeschaltet werden könnte. Die Clearingstellen sind zwischen den Vertragsparteien einer Transaktion angesiedelt und übernehmen das gegenseitige Ausfallrisiko.
Die LSE begründete ihre ablehnende Haltung zu einem Verkauf ihrer Italien-Tochter in erster Linie mit einem drohenden Vertrauensverlust gegenüber den italienischen Aufsichtsbehörden. MTS spiele eine wichtige Rolle beim Handel mit italienischen Staatsanleihen, führte die LSE aus: „Auch wenn MTS selbst nicht in großem Maße zum Konzernumsatz beiträgt, so kommt aus dem gesamten Italien-Geschäft ein bedeutender Teil von Umsatz und Gewinn der LSE-Gruppe.“
Zudem rechnen die Londoner mit einem komplizierten Verkaufsverfahren, bei dem auch die Behörden in Großbritannien, Belgien, Frankreich und den USA eingebunden werden müssten. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Verkauf von MTS in zufriedenstellendem Maße erreicht werden kann“, lautet das Fazit der Londoner Börse.
Sitzprobleme und Insider-Verdacht
„Die Parteien sehen der weiteren Prüfung der Europäischen Kommission entgegen“, teilte die Deutsche Börse mit. Eine Entscheidung werde bis Ende März erwartet. Bis Ende Juni sollte der Zusammenschluss eigentlich komplett abgeschlossen sein.
Doch in den vergangenen Wochen und Monaten wurden die Zweifel immer größer: Neben der EU-Kommission muss auch die hessische Börsenaufsicht dem Deal zustimmen. Für Kritik sorgt am Finanzplatz Frankfurt vor allem, dass die beiden Konzerne London als rechtlichen Sitz der Dachgesellschaft vereinbart haben. Bei einem EU-Austritt der Briten (Brexit) wäre dieser dann außerhalb der Europäischen Union.
Überschattet wird das Fusionsvorhaben zudem von Ermittlungen gegen Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Der Manager hatte am 14. Dezember 2015 im Rahmen eines Vergütungsprogramms Deutsche-Börse-Anteile im Wert von 4,5 Millionen Euro gekauft. Zehn Wochen später, am 23. Februar 2016, machten die Unternehmen ihre Fusionsgespräche öffentlich.
Die Aktienkurse beider Unternehmen stiegen in der Folge deutlich. Kengeter hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, der Aufsichtsrat hatte sich geschlossen hinter ihn gestellt.
Die neuen Probleme rund um die italienische Anleihen-Plattform MTS scheinen aktuell aber die schwerste Bürde für eine Fusion zu sein. Anleger zogen sich am Morgen aus den Aktien der Deutschen Börse zurück: Der Kurs des Dax-Konzerns fiel vorbörslich auf der Handelsplattform Tradegate gegenüber dem Xetra-Schluss um 4 Prozent.