Scherbaums Börse : Münchens Digitalisierungsspezialist
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Auch die Baustelle solle digitalisiert werden. Bild: dpa
Der Bausektor gilt grundsätzlich als etwas Handfestes. Dennoch hält auch hier die Digitalisierung Einzug, mit erkennbaren Folgen. Einer der Profiteure dieses Trends ist Nemetschek. Das Unternehmen hat langfristig aber noch mehr zu bieten.
Die steigende Inflation sowie die erwarteten Leitzinserhöhungen der internationalen Notenbanken haben die Aktienmärkte durcheinandergewirbelt. Dabei gerieten insbesondere Technologie- und Wachstumswerte unter Druck. Für viele Anleger stellt sich die Frage, welche dieser Titel lediglich „Opfer der allgemeinen Marktschwäche“ sind und relativ bald ihren Höhenflug der vergangenen Jahre fortsetzen sollten. Zu diesen Titeln könnten beispielsweise Unternehmen wie der Anbieter von Architekten-Software Nemetschek SE gehören, die weiterhin von wichtigen Trends wie der Digitalisierung profitieren.
Diese schreitet in sämtlichen Branchen voran. Intelligente Softwarelösungen spielen auch bei Bau- und Infrastrukturprojekten eine immer wichtiger werdende Rolle. Hier kommt Nemetschek ins Spiel. Das 1963 gegründete Unternehmen aus München sieht sich selbst als Vorreiter der digitalen Transformation in der sogenannten AEC/O-Industrie (Architecture, Engineering, Construction und Operations). Ziel ist es, den digitalen Workflow aller am Bauprozess Beteiligten zu verbessern. Auf diese Weise sollen Bauwerke effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender geplant, gebaut und betrieben werden. Im Mittelpunkt steht hierbei der Einsatz von sogenannten offenen Standards.
Mehrere Säulen
Ein konkreter Ansatzpunkt besteht in effizienteren Prozessen auf Baustellen. Zu diesem Zweck beteiligt sich Nemetschek am norwegischen Start-Up Imerso. Das Hightech-Unternehmen bietet eine Plattform zur Automatisierung der Bauqualitätsüberwachung. Die Lösung kombiniert Künstliche Intelligenz (KI), Reality Capture und Building Information Modeling (BIM)-Technologien. Mithilfe von 3D-Scannern werden Gebäude, der Boden oder Räume genau digitalisiert und in Echtzeit auf relevante Abweichungen analysiert. Jüngste Projekte haben gezeigt, dass Imerso-Software die Effizienz der Qualitätskontrolle auf der Baustelle um 400 Prozent steigern kann.
Nemetschek hat aber weitere Standbeine und beschäftigt sich nicht nur mit der AEC/O-Industrie. So hat Facebook mit dem Vorstoß in Richtung Metaverse Themen wie Virtual- und Augmented-Reality sowie der Erstellung von 3D-Welten in der Media- und Entertainment-Industrie einen wichtigen Schub versetzt. Bereits zuvor hatten Gaming-Unternehmen, aber auch Vertreter der Film- und Werbeindustrie entsprechende Dienstleistungen nachgefragt. Nemetschek deckt ebenfalls die Themen digitale Lösungen für Visualisierung, 3D-Modellierung und Animation ab.
Gaming-Branche im Fokus
Nemetscheks Marke Maxon wiederum ist ein führender Entwickler von professionellen 3D-Softwarelösungen. Maxons Produkte zur Erstellung und Visualisierung von digitalem Content werden in mehr als 80 Ländern in aller Welt verkauft und betreut. Jüngst wurde die führende Position im dynamisch wachsenden, hochattraktiven 3D-Animationsmarkt durch Maxons Übernahme von Pixologic zusätzlich gestärkt. Besonders im Fokus steht dabei die noch bessere Abdeckung der großen, schnell wachsenden Gaming-Industrie.
Es sind auch solche Übernahmen, die Nemetschek zum Wachstum der vergangenen Jahre verholfen haben. Im Geschäftsjahr 2021 lag der Konzernumsatz bei 681,5 Millionen Euro. Ein Anstieg um 14,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Währungsbereinigt lag das Plus bei 15,6 Prozent. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 28,8 Prozent (währungsbereinigt: 30,4 Prozent) auf 222,0 Millionen Euro. Die EBITDA-Marge kletterte von 28,9 Prozent im Vorjahr auf 32,6 Prozent und lag damit ebenfalls über dem Prognosekorridor von 30 bis 32 Prozent. Laut Vorstandssprecher Axel Kaufmann ist Nemetschek auch für 2022 optimistisch und sieht sich für weiteres nachhaltiges und profitables Wachstum sehr gut aufgestellt. Unterm Strich müssten Anleger mit solchen Bilanzdaten und Prognosen eigentlich zufrieden sein.
Aktie ambitioniert bewertet
Ein Blick auf den Chart zeigt auch, dass langfristig betrachtet, sich die Nemetschek-Aktie hervorragend entwickelt. Auf Zehn-Jahres-Sicht steht bei der Aktie ein beeindruckender Kursgewinn von im Schnitt 42 Prozent pro Jahr zu Buche. Damit ist Nemetschek in der Dekaden-Betrachtung der zweitstärkste Titel im M-Dax nach Hypoport und ebenfalls der zweitstärkste Wert im Tec-Dax nach Sartorius. Selbst als Dividendenpapier hat sich Nemetschek im vergangenen Jahrzehnt gelohnt. Die Dividendenrendite fällt zwar mit aktuell 0,4 Prozent bescheiden aus. Da Nemetschek die Dividenden aber kontinuierlich steigert, kam bei einem Langfrist-Investment auch in dieser Hinsicht etwas zusammen. Wer bei der Aktie vor zehn Jahren einstieg, kommt heute auf eine persönliche Dividendenrendite von 13 Prozent.
Bei aller Konstanz hat die Konsolidierung bei den Technologiewerten auch die Nemetschek-Aktie mit in die Tiefe gerissen. Vom November-Rekordhoch bei 116 Euro brach der Kurs bis Mitte Februar in der Spitze auf 73 Euro ein. Aktuell notiert das Papier unter der 200-Tage-Linie und hat somit den langfristigen Aufwärtstrend verlassen. Charttechnisch würden Kurse oberhalb der 200-Tage-Linie wieder ein neues Kaufsignal bedeuten. Seitens der Analysten liegt das durchschnittliche Kursziel aktuell bei circa 88 Euro. Die meisten Analystenhäuser haben die Aktie mit „neutral“ eingestuft – und dies vor dem Hintergrund, dass das geschätzte 2022er-Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 66 liegt und somit die Aktie ambitioniert bewertet ist.