Zwei Dörfer streiten um Thomas Bernhard : Neues Festival für einen Großdichter
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Am Beginn einer lebenslangen Beziehung: Thomas Bernhard und sein „Lebensmensch“ Hedwig Stavianicek in St. Veit (1953) Bild: Thomas Bernhard Nachlassverwaltung
Im österreichischen Goldegg beginnt am 13. September ein neues Festival für Thomas Bernhard. Im Nachbarort Sankt Veit war der Schriftsteller häufig zu Gast. Der Altbürgermeister Richard Donauer erinnert sich gut an ihn und seinen „Lebensmenschen“.
Einst ein ungeliebter Nestbeschmutzer, ist Thomas Bernhard heute das größte literarische Pfund, mit dem Österreich international wuchern kann. Hätten Sie sich das damals vorstellen können?
Das war nicht absehbar. Er war ein Nobody, der eine arme Kindheit hatte.
Und nach St. Veit, ins Sanatorium, kam er 1949 keineswegs freiwillig.
Er war gerade mal achtzehn Jahre alt, hatte seinen kaufmännische Ausbildung noch nicht abgeschlossen, nahm aber bereits seit geraumer Zeit Gesangsunterricht in Salzburg. Als er in die Lungenheilanstalt Grafenhof eingewiesen wurde, hat er nicht überrissen - damals wurden noch kaum Antibiotika eingesetzt -, dass der Aufenthalt nicht ein paar Wochen, sondern zwei bis drei Jahre dauern würde. Bernhard wusste, wenn er nicht weiter singen würde, wäre seine bisherige Ausbildung umsonst gewesen. Also schlich er sich zur Organistin Anna Janka, um dort Gesangsstunden zu nehmen - dabei war das den Patienten wegen der Ansteckungsgefahr strengstens verboten. Die Spazierwege hatten alle Verbotstafeln. Zunächst sang er in der Kirche, bis er verpfiffen wurde, dann besuchte er die Organistin in ihrem Zimmer im Armenhaus. Die Ärzte warnten ihn: Das Singen könne seinen Tod bedeuten. Aber er war halt als Künstler eigenwillig und ist trotzdem weiter hingegangen.
Eine schicksalhafte Entscheidung, wie man heute weiß.
Anna Janka war 1944 zusammen mit einer Wiener Freundin im Grafenhof gewesen, und seither bekam sie jedes Jahr mehrere Wochen Besuch von ihr - es handelte sich um Hedwig Stavianicek, den späteren Lebensmenschen von Thomas Bernhard.
Das war der Beginn einer lebenslangen Beziehung - auch zu St. Veit.
Bis 1979 ist Bernhard regelmäßig nach St. Veit in Urlaub gekommen, in den Dopplerhof. Literarisch hat er den Aufenthalt im Grafenhof in dem autobiographischen Roman „Die Kälte“ beschrieben. Wenn er hier war, ging er liebend gern spazieren nach Schloss Schernberg, das war ein Pflegeheim für geistig Behinderte. Diese Eindrücke hat er in dem Gedichtband „Die Irren - Die Häftlinge“ festgehalten. Mit den Grenzdebilen hat er sich gern unterhalten.
Aber mit Ihnen schon auch?
Bernhard hat ja jahrelang bei uns gewohnt. Meine Eltern hatten eine kleine Pension, die ich übernommen habe. Ich war eigentlich zwei Jahrzehnte sein Schuhputzer. Damals war es üblich, den Gästen am Morgen ihre sauber geputzten Schuhe vor das Zimmer zu stellen. Das war meine Tätigkeit als Jugendlicher. Später habe ich mit ihm im Kirchenchor gesungen, Bass. Er hatte einen tollen Bass.
Sie haben sich mit ihm angefreundet.
Das weiß ich nicht, richtige Freunde hatte er wenige. Ich habe ihn halt oft herumgefahren, weil ich schon einen Käfer hatte und er nicht. Ich war immer eine Leseratte, aber den Roman „Frost“ hätte ich nicht fertiggelesen, wenn er nicht von Bernhard gewesen wäre. Er hat mir das Buch mit einer Widmung zu Weihnachten geschenkt.
Die Nachbargemeinde kommt nicht allzu gut dabei weg.