Weltbild-Insolvenz : Discount muss man auch beherrschen
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Je schlanker, desto einfacher: Weltbild geht einen schmerzhaften Weg um für Investoren attraktiv zu werden. Bild: dpa
Es rappelt gewaltig in der Augsburger Bücherkiste: Der frühere Medienriese Weltbild liegt am Boden. Die Verlagsgruppe schließt fünfzig Filialen und hofft auf einen Investor.
Ein tüchtiger Buchhändler kommt durch, einer, der nicht tüchtig ist, um den ist es nicht schade. Starke Worte, die Carel Halff im Gespräch mit dieser Zeitung vor bald zehn Jahren zum Besten gab. Gesprochen von einem Mann, der 1975 im Alter von vierundzwanzig Jahren zum Weltbild-Bücherdienst, so hieß die Firma damals, stieß. Aus 600.000 Mark Umsatz machte der Holländer in seinen besten Jahren eineinhalb Milliarden Euro, kein Wunder, dass es bei Weltbild nur eine Richtung gab – Wachstum, Expansion, Flächenzuwachs.
Dieser Teil der Geschichte ist, man weiß es seit dem Insolvenzantrag der Verlagsgruppe Weltbild, zu Ende. Ob eine Fortsetzung folgt und wie sie aussehen könnte, lässt sich frühestens sagen, wenn der Insolvenzverwalter einen Investor für den geschrumpften Medienriesen gefunden hat. Je schlanker, desto einfacher, lautet das Kalkül.
Dazu soll auch der gestern verkündete Schritt beitragen, sich von 53 der derzeit noch 220 existierenden Weltbild-Plus-Filialen zu verabschieden (es waren einst um die 350). Die Schmalspurbuchhandlungen gehören zur Weltbild Plus Medienvertriebs GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Verlagsgruppe. Diese hat in der Augsburger Zentrale zuletzt 580 Mitarbeiter in eine Auffanggesellschaft überführt. Nun sollen bei der Tochter weitere dreihundert für die Dauer eines Jahres diesen Weg gehen. Im Juli werden die ersten vierundzwanzig Filialen abgewickelt, bis zum Jahresende sollen die restlichen folgen, von Aachen bis Rostock, von Lübeck bis München.
Zwischen erotischer Literatur und Volksbibel
Für die Konkurrenten im deutschen Buchhandel ist der Niedergang diese großen Wettbewerbers nichts, was mit Schadenfreude quittiert würde. Und für die katholische Kirche in Deutschland erst recht nicht, weil sie in dieser Geschichte als Unternehmerin ihre Hauptrolle ziemlich unprofessionell gespielt hat. Das liegt daran, dass streckenweise bis zu vierzehn Bistümer, die Militärseelsorge und der Verband der Diözesen Deutschlands als Eigentümer keine wirklich schlagkräftigen Entscheider abgegeben haben.
Hinzu kamen innerkirchliche Grabenkämpfe über die Frage, wie denn nun mit dem rasant ins Weltliche expandierenden Unternehmen eigentlich umzugehen sei: Passen erotische Literatur und Zimmerspringbrunnen zur katholischen Kernkompetenz? Anders gesagt: Kann man Bücher vom Schlag „Shades of Grey“ verkaufen, wenn man gleichzeitig vom „Bild“-Chefredakteur eine 1300 Seite starke Volksbibel dem deutschen Papst überreichen lässt?
Lange Zeit hat Weltbild solche Fragen ignoriert und auf Internationalität gesetzt, während der Versender gleichzeitig mittelständischen Buchhandel zusetzte und die Preisschraube anzog, wo immer das die Buchpreisbindung zulässt. Doch dann kam aus dem Westen der große Unbekannte Amazon und rollte das Feld von hinten auf. Die Antwort, Weltbild zum Digitalkonzern umzubauen, kam zu spät, und sie fiel kraftlos aus.
Aber da war der Schuldenberg auch schon immens hoch. Am Ende fehlten laut Sanierungsgutachten 160 Millionen Euro, um sich noch einmal zu berappeln. Zu viel Geld für die Kirche, auch wenn die Rettungsversuche des Erzbistums München-Freising aller Ehren wert waren. Immerhin 65 Millionen Euro hat die Kirche zusammengetragen, um zu retten, was zu retten ist. Dem Horror eines weiteren Imageschadens – die Kirche als herzloser Arbeitgeber – wollte man sich nicht aussetzen.
Vom langjährigen Kompagnon Hugendubel und der gemeinsamen Holding DBH hat man sich unlängst getrennt, auch er steckt in der Finanzklemme, auch ihm hat die Kirche Hilfe zugesagt. Von den Weltbild-Plus-Läden sagte man gern, sie seien der Aldi unter den Buchhandlungen. Carel Halff hat sich diesen Aufkleber gefallen lassen, weil er sich in der Rolle des provokanten Billigheimers gefiel. Aus heutiger Sicher weiß man, wie schief dieser Vergleich war. Solche Fehler wären bei Aldi nicht passiert.