Nachruf auf Vito von Eichborn : Dann übertrieb ich alles
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Vito von Eichborn mit seinem Kater Willi an einem See hinter seinem Haus in Malente Bild: picture alliance / dpa
Er schuf ein leuchtendes Beispiel der Querfinanzierung von Hochliteratur durch populäre, erlebte viele Pleiten und weigerte sich doch, seinen Weg als von solchen gepflastert zu sehen: Zum Tod des Verlegers Vito von Eichborn.
Mit den Härten des Buchmarkts, die in den vergangenen Jahren viele Herzblut-Belletristikverlage aus dem Rennen geworfen oder zum Spielball von Konzernen gemacht haben, war der Mann vertraut. Aber er ging damit selbstironisch um: „Pleiten pflastern meinen Weg? Nö. Stimmt, ein Kaufmann war ich nie – das waren die Partner. Und Risiken habe ich nicht gescheut.“ Das schrieb Vito von Eichborn noch vor wenigen Jahren über sich selbst, in einer Kurzbiographie auf der Website seines letzten Verlags namens Vitolibro. Er ließ ein paar Thesen folgen, die sich heute wie ein Testament lesen: „Das Buch landet nicht sofort im Müll wie andere Printmedien oder im Nirwana des Internets, braucht keinen Strom und hat ökonomisch betrachtet einen sehr hohen Kosten-Nutzen-Wert. Sogar kleine Auflagen in inhaltlichen Nischen können sich rechnen.“
Unterzeichnet war das in Timmdorf/Malente: Mit Vitolibro war Eichborn zurückgekehrt in den hohen Norden, wo der in Magdeburg Geborene seine Schulzeit verbrachte. Nach dem Volontariat beim „Göttinger Tagblatt“ ging er zunächst nach Spanien, bevor er in Frankfurt Lektor im Fischer-Taschenbuchverlag wurde. Dort schuf er unter anderem die Reihe „Mein Lesebuch“, von der etwa das aufschlussreiche von Walter Kempowski in Erinnerung bleibt – wobei Eichborn Kempowski im Rückblick als „anstrengend“ beschrieb.
Panikresistenz, Simultankapazität
1980 gründete er zusammen mit Matthias Kierzek seinen ersten eigenen Verlag, Eichborn, der bald zum Inbegriff von „Querfinanzierung“ wurde: Populäre Sach- und Geschenkbücher stützten teils abseitige Hochliteratur. Mit seinem ganz eigenen Humor drückte Vito von Eichborn es so aus: „Mit den Erlösen aus dem ‚Kleinen Arschloch‘ von Walter Moers kaufte ich 1989 die ‚Andere Bibliothek‘.“ Er rettete die bibliophile Reihe damit vor der Insolvenz ihres ersten Verlages. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Eichborn-Verlag selbst nicht profitabel war, das Programm viel zu groß wurde. Der Verleger selbst gab zu: „Dann übertrieb ich alles.“ Seine Hälfte des Verlages zu verkaufen, bezeichnete er später als den Fehler seines Lebens. Doch Eichborn, dem Walter Moers in der F.A.Z. einmal die Eigenschaften Panikresistenz, Simultankapazität, Frustrationstoleranz und Inkompetenzkompensationskompetenz zuschrieb, ging weitere Wagnisse ein: Er wurde kurz Geschäftsführer bei Rotbuch, kaufte 1999 den Europa-Verlag und veröffentlichte dort etwa eine Werkausgabe von Noam Chomsky.
Kurz vor Konkurs stieg er aus und verbrachte ein paar Jahre auf Mallorca. Zuletzt bezeichnete er sich als freischaffend. Immerhin lebt der Eichborn-Verlag fort, wenn auch verändert und als Imprint von Bastei Lübbe, und die Andere Bibliothek ist bei Aufbau untergekommen. Er halte nichts von Profilen, sagte Vito von Eichborn einmal, und habe stets versucht, das Anspruchsvollste neben dem Anspruchslosesten zu publizieren, das Ernste neben dem Trivialen. Am Montag ist er im Alter von 79 Jahren in Malente gestorben.