Trude Simonsohn gestorben : Sammlerin von Freundschaften
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Frankfurter Ehrenbürgerin: Trude Simonsohn, hier bei einem Zeitzeugengespräch, ist im Alter von 100 Jahren gestorben. Bild: Frank Röth
Trude Simonsohn, die Auschwitz überlebte, hat in zahllosen Zeitzeugengesprächen von ihrem Schicksal berichtet. Bei der jungen Generation sah sie keine Schuld, aber Verantwortung, neues Unrecht zu verhindern. Ein Gastbeitrag.
Trude Simonsohn war eine Überlebende. Doch sie wollte mehr sein als nur davongekommen. Ihr Widerstand, ihre Hartnäckigkeit, ihr Humor, ihr Wille zum Leben waren stets auch Zeugnis dafür, dass die Täter sie auch als Menschen nicht haben brechen können. Wer die Hochbetagte auf ihren täglichen Spaziergängen im Frankfurter Grüneburgpark erleben konnte, bewaffnet mit zwei Gehstöcken, einem Lächeln und Hunderten Fragen, sah mehr als eine Überlebende, sah eine Siegerin.
Sie selbst betonte, dem Tod nur durch pures Glück entgangen zu sein. Geboren am 25. März 1921 in Olmütz/Mähren, wuchs sie in einem liberalen, behüteten und liebenden jüdischen Elternhaus auf. Ihr politisches Engagement begann früh: Sie engagierte sich in der zionistischen Jugendarbeit. Auch als die Nazis schon jeden Aspekt jüdischen Lebens dominierten, vernetzte sie Menschen, schrieb Briefe, rettete Leben. Einer ihrer typischen Sätze lautete: „Es gibt Menschen, die Briefmarken sammeln. Ich sammele Freunde!“
Im Ghetto Theresienstadt lernte sie ihren Mann kennen, sie heirateten, unmittelbar bevor sie nach Auschwitz deportiert wurden. Trude beschrieb das Lager als eine Hölle auf Erden, einen unwirklichen Ort, geprägt von stundenlangem Appellstehen und lauter Musik, die zu allem spielte. Das Trauma löschte viele Erinnerungen aus, führte zu einer „Ohnmacht der Seele“, die auch die Zeit unmittelbar nach der Befreiung betraf. Nach Stationen in der Schweiz zog sie 1955 nach Frankfurt, wo sie die jüdische Gemeindearbeit vorantrieb. Es war überraschend, mit welcher Leichtigkeit sie das Leben nahm. In den zahllosen Zeitzeugengesprächen mit jungen Menschen richtete sie den Blick auf die Zukunft, mit einem pointierten Humor und einer Liebe, die keine Grenzen und keinen Dünkel kannten: Nein, die junge Generation hat keine Schuld, aber sie trägt Verantwortung. „Zu jedem Unrecht sofort Nein sagen”, war der Leitsatz der Rede, die sie 2018 in der Bildungsstätte Anne Frank hielt; einer Einrichtung, die sie mitgegründet hatte. Nie werde ich den Abend vergessen, als Trude und Buddy Elias, der Cousin von Anne Frank, sich in einer Art Witz-Battle mit Pointen gegenseitig zu überbieten versuchten.
Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie musste sich Trude immer mehr zurückziehen. Am Donnerstagmorgen ist sie für immer eingeschlafen. So selbstverständlich war die Frage, „was würde Trude dazu sagen?”, dass die Vorstellung, keine Antwort mehr von ihr zu bekommen, noch gar nicht recht bei mir angekommen ist. Was für ein Glück, dass sie da war!