Zukunft des Lokaljournalismus : Ohne Regionalzeitungen geht nichts
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Was Zeitungen respektive Zeitungsredaktionen für die Demokratie leisten, bemerkt mancher erst, wenn sie verschwunden sind. Amerika gibt dafür ein Beispiel. Bild: dpa
Die Regionalzeitungen kämpfen um ihren Rang. Auf Digitalisierung und Handelskonzentration müssen sie reagieren. Und den richtigen journalistischen Nachwuchs finden.
Was ändert sich gerade im Journalismus und warum? Es sind viele Faktoren, aber zwei haben besonders fatale Wirkung. Sie haben wenig bis nichts miteinander zu tun. Einer wird immer genannt, der andere praktisch nie. Erstens die Digitalisierung – das wird immer gesagt – und zweitens – kaum diskutiert – die Handelskonzentration.
Diese beiden Faktoren haben die Regionalzeitung als Werbeträger niedergeschlagen und damit die einst wichtigste Einnahmequelle erheblich verkleinert. Die Digitalisierung hat erst die Rubrikanzeigen und dann die Angebotsanzeigen verschlungen, die Handelskonzentration hat die Anzahl der Werbetreibenden massiv reduziert und hohe Beträge in andere Werbekanäle wie das Fernsehen verfrachtet. Heute werden drei Viertel aller Kaffeepackungen und Joghurtbecher von fünf Handelsgruppen verkauft. In alphabetischer Reihenfolge: Aldi, Edeka, Lidl, Metro, Rewe. Sie sind alle bundesweit tätig und brauchen deswegen immer weniger regionale Differenzierung – sie gehen raus aus der Regionalpresse und rein ins Fernsehen. Manche gehen auch raus aus der Zeitung und bleiben gedruckt, zum Beispiel in der Prospektsammlung „Einkauf aktuell“ der Deutschen Post. „Einkauf aktuell“ ist ein direkter Anschlag des Bundesunternehmens Post auf die wirtschaftliche Basis der Regionalverlage. Wenn der Finanzminister jetzt die lokale Berichterstattung mit Millionen an Steuern fördern will, dann könnte er viel sparsamer mit der Hauspost sein Referat für Bundesbeteiligungen darum bitten, den Postlern mal zu sagen, sie sollen einfach alles unterlassen, was systemrelevantem Lokaljournalismus schadet und systemschädlichen Plastikmüll schafft.
Diese beiden Faktoren – Digitalisierung und Handelskonzentration – haben die Kassen der Regionalzeitungen in den letzten zwanzig Jahren schwer gebeutelt. Schätzungsweise haben die Regionalzeitungen zwischen einem Viertel und der Hälfte ihres Umsatzes dadurch verloren. Man ahnt, was für Gewinne gemacht worden sein müssen, wenn sie das bis jetzt einigermaßen verkraften konnten.
Man sieht einen stark negativen Trend
Die Zahlen sind Schätzungen. Es ist nicht einfach, verlässliche Zahlen zu bekommen. Die einschlägigen Interessengruppen, die Verleger- und die Journalistenverbände, haben so undeutliche Zahlen zu bieten, dass eine neutrale Medienstatistik überfällig ist. Es gibt so viele Publizistik-Institute, dass sich schon eines finden wird, diese Zahlen zu ermitteln. Vielleicht kann von den geplanten 220 Millionen Euro für Presseförderung ein Promille für die Feststellung der Datenbasis bereitgestellt werden. Zwei Zahlen würden schon viel Erkenntnis bringen. Erstens: Wie viele Menschen arbeiteten im Lokaljournalismus in Deutschland in den Jahren 1990, 2000, 2010 und 2020? Wenn man nur den Berliner Markt nimmt und die Entwicklung in den letzten sieben Jahren, sieht man einen stark negativen Trend. Und zweitens: Wie viel Inhalt haben die verbliebenen Lokaljournalisten produziert? Damit sind Artikel oder Seiten mit eigenständigen Texten gemeint, keine Agenturmeldungen und keine Anzeigen oder Verlags-PR-Texte. Die Zahlen gibt es nicht. Die Verlegerverbände wollen die schleichende Erosion nicht an die große Glocke hängen, und die Journalistenverbände möchten nicht so laut darüber sprechen, dass große Teile ihrer Mitglieder vielleicht einmal unabhängige Journalisten waren, aber heute im Bereich Öffentlichkeitsarbeit oder für Kundenpublikationen oder Anzeigenblätter tätig sind. Auch deren Mitgliedsbeitrag wird diskriminierungsfrei gebraucht. Man darf annehmen, dass Walter J. Schütz’ seliges Zählen der sogenannten publizistischen Einheiten eine Stabilität suggeriert, die in die Irre führt.