https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wirtschaft/die-sieben-steine-eines-weisen-11128530.html

: Die sieben Steine eines Weisen

  • Aktualisiert am

Management ist Komplexitätsreduktion. In dieser Idee schwingen uralte Sehnsüchte nach Durchblick und Machbarkeit mit. Management-Rezepte nutzen deshalb oft die Ästhetik der schlichten, einfachen Zahl. Kein Vordenker käme auf die Idee, die dreiundvierzig Wahrheiten unübertreffbaren Managements zu propagieren.

          2 Min.

          Management ist Komplexitätsreduktion. In dieser Idee schwingen uralte Sehnsüchte nach Durchblick und Machbarkeit mit. Management-Rezepte nutzen deshalb oft die Ästhetik der schlichten, einfachen Zahl. Kein Vordenker käme auf die Idee, die dreiundvierzig Wahrheiten unübertreffbaren Managements zu propagieren. Schon die Zahl zehn überfordert regelmäßig das Publikum, zumal sie auch noch an Gebote erinnert. Die Vier wird hingegen gerne genommen, nicht zuletzt weil sie so schön in unsere Powerpoint-Kultur passt. Man denke an die vier Felder der Boston Consulting Group-Matrix. Die Zahl fünf ist schon eine Spur anspruchsvoller. Immerhin verdanken wir ihr den Erfolg der fünf Kräfte eines Michael Porter oder die fünf Kriterien der SMART-Regel. Die Sechs ist weniger beliebt. Wer kann, wählt gleich die magische Sieben. Assoziationen an die sieben Weltwunder oder den siebten Himmel lassen sich dabei gar nicht vermeiden.

          Jim Collins setzt hier an. In seinem Werk "Der Weg zu den Besten" (im englischen Original: "Good to Great: Why Some Companies Make the Leap and Others Don't") rief er sieben Management-Prinzipien für den Weg zur absoluten Spitze aus. Das Buch beruht auf Untersuchungen der Aktienkursentwicklung ausgewählter amerikanischer Firmen zwischen dem Beginn der siebziger und dem Ende der neunziger Jahre. Collins fiel auf, dass es eine Handvoll von Unternehmen offensichtlich schaffte, den Aktienmarkt insgesamt markant zu übertreffen und dieses Niveau auch noch mindestens 15 Jahre lang zu halten. Im März 2001 schloss Collins sein Manuskript ab, im Oktober 2001 gelangte das Buch in den Handel. Und nun, zehn Jahre und etliche Krisen später, ist es in deutscher Sprache erschienen - natürlich ohne die Börsendramen der Jahre 2001 und 2008. Hut ab also vor dem Mut des Verlages.

          Collins sieben Prinzipien, die in einer vergleichsweise wenig komplexen Epoche geboren wurden, müssen in der Tat überaus robust sein, wenn sie in unserer Zeit des "Morgen kann alles schon ganz anders sein" das halten sollen, was sie versprechen: überragenden und dauerhaften Unternehmenserfolg. Grund genug, um sie näher unter die Lupe zu nehmen. Das erste Prinzip lautet: Wer seinen Konkurrenten voraus sein will, braucht den richtigen Manager. Alle Spitzenunternehmen, die Collins herausfilterte, hatten Chefs, die zugleich bescheiden, energisch, einfühlend und ehrgeizig waren. Prinzip Nummer zwei geht so: Rekrutiere zunächst die richtigen Leute und kümmere dich dann erst um Vision, Strategie, Struktur - die Motivation kommt von selbst, auch ohne Vergütungssystem. Das dritte Prinzip fordert den Mut, auch härteste Tatsachen nicht zu umgehen. Das bedeutet Collins zufolge Führen durch Fragen und nicht durch Antworten. Das "Igel-Prinzip" ist das vierte. Der Igeltyp reduziere "komplexe Zusammenhänge auf eine einzige, zentrale Einsicht". Prinzip Nummer fünf dringt auf Disziplin, Prinzip sechs widmet sich der Technik, die nach Ansicht von Collins überschätzt wird. Wer ein Unternehmen an die Spitze führen wolle, sollte Spitzentechnik nicht als Ausgangspunkt einsetzen, sondern erst, wenn dem Laden zusätzlicher Schwung verliehen werden soll. Das Schwungrad dient Collins denn auch als Metapher für sein siebtes Prinzip. Transformation müsse in kleinen Schritten und nicht durch große Ankündigungen erfolgen. Er zieht die stille Evolution dem abrupten Wandel vor.

          Collins und seine Mitstreiter investierten über 10 Mannjahre Arbeitszeit in ihr Projekt. Herausgekommen ist ein Buch, das mit eng angelegten amerikanischen Scheuklappen geschrieben wurde und wieder einmal den ach so tollen Helden an der Spitze einiger vermeintlich überragender Unternehmen huldigt. Von den elf "Take-off"-Unternehmen, wie Collins die von ihm besprochenen Spitzenfirmen nennt, wurde Gillette inzwischen von Procter & Gamble übernommen, hofft Wells Fargo inbrünstig, sich aus dem Rettungsschirm der amerikanischen Regierung zu befreien, liegt Fannie Mae auf der Intensivstation und ging die Elektronik-Kette Circuit City vor zwei Jahren pleite.

          HEINZ K. STAHL.

          Jim Collins: Der Weg zu den Besten.

          Campus, Frankfurt am Main, 2011, 323 Seiten, 24,99 Euro

          Weitere Themen

          Der tiefe Fall der Credit Suisse

          Schweizer Großbank : Der tiefe Fall der Credit Suisse

          Die Credit Suisse ermöglichte einst den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Doch in den letzten Jahren verlor sie das Vertrauen der Kunden. Dass sie nun von der Erzrivalin UBS übernommen wird, ist nicht ohne Ironie.

          Wenn Computer träumen

          KI-Kunst von Refik Anadol : Wenn Computer träumen

          Refik Anadol ist mit seinen monumentalen „Datenskulpturen“ der Star der KI-Kunst. Nun lassen sie sich auch in Düsseldorf bestaunen – und hinterfragen.

          Topmeldungen

          Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am 21. März in Ankara

          Wahlen in der Türkei : Erdogan muss um die Macht fürchten

          Die Ausgangslage vor der Wahl am 14. Mai ist für den türkischen Präsidenten denkbar schlecht. Er wird versuchen, den Trend mit seiner populistischen Rhetorik zu drehen.
          Die Minister Christian Lindner (links) und Robert Habeck nach dem Koalitionsausschuss: Was der FDP gefällt, ist für die Grünen schwer zu verkraften.

          Nach der Ampel-Sitzung : Grüner wird’s nicht mehr

          Nach der langen Sitzung in Berlin frohlockt die FDP über den Pragmatismus der SPD und lobt den Kanzler. Der dritte Partner im Bunde steht plötzlich allein da.
          Viel Natur in Dürmentingen: Die Begrünung kühlt das Haus, aber macht Neubauten erst mal teurer.

          Pflanzen an Wänden und Dächern : Das Haus wird grün

          Gegen die Hitze in der Stadt sollen Pflanzen an Fassaden und Gräser auf Dächern wachsen. Aber Vorschriften wie in Frankfurt verteuern das Wohnen noch mehr.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.