: Die Große Rezession
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Ob sie wohl jemand gezählt hat, die Krisenbücher? Das allmählich ausufernde Feld der Autoren spaltet sich grob in zwei Lager: Auf der einen Seite stehen jene, die alle Fehler im Markt erblicken, in der Instabilität des Finanzsystems ebenso wie in der Korrumpierbarkeit der Akteure. Auf der anderen ...
Ob sie wohl jemand gezählt hat, die Krisenbücher? Das allmählich ausufernde Feld der Autoren spaltet sich grob in zwei Lager: Auf der einen Seite stehen jene, die alle Fehler im Markt erblicken, in der Instabilität des Finanzsystems ebenso wie in der Korrumpierbarkeit der Akteure. Auf der anderen Seite findet man jene, die dem Staat den Vorwurf machen, mit falscher Politik und vernachlässigter Aufsicht die Krise befeuert zu haben. Aber gar so scharf lassen sich die Dinge mitnichten voneinander trennen. Nikolaus Piper ist das klar. Er ist überzeugt: "Markt- und Staatsversagen trugen zu gleichen Teilen zu der Katastrophe bei." Fehler wurden an vielen Stellen gemacht.
Dementsprechend ist sein Krisenbuch auch kein besserwisserisches Pamphlet geworden, sondern eine solide, so weitreichende wie tiefgründige Aufarbeitung dessen, was die Welt in die "Große Rezession" getrieben hat. Schon dieser Titel lässt erkennen, dass der Autor keine billigen Aufgeregtheiten serviert: Auch wenn die aktuelle Krise, die sich schon 2007 auf dem amerikanischen Immobilienmarkt abzeichnete und dann im Herbst 2008 als Bankenkrise auf den Rest der Welt überschwappte, artverwandt ist mit der "Großen Depression" der dreißiger Jahre, ist sie in ihrem Umfang doch relativ moderat geblieben. Wir erleben eine bereits abgebremste Schrumpfung, nicht etwa eine sich beschleunigende, die ganze Welt ins Elend reißende Abwärtsspirale.
Wem wir das verdanken, macht der Autor unmissverständlich deutlich: "Der Einbruch wäre sogar schlimmer geworden als nach 1929, hätten nicht die Regierungen und Notenbanken der ganzen Welt in einer Weise in die Wirtschaft eingegriffen, die es zuvor in Friedenszeiten noch nie gegeben hat." Allerdings ist das für ihn noch kein Grund, sich zurückzulehnen: Niemand habe wirklich Erfahrung damit, wie sich Volkswirtschaften nach so einem Schock und einer Therapie, die alle natürlichen Marktkonstellationen verzerre, verhielten. Die Aktienmärkte zeigten schon wieder Spuren einer ungesunden Euphorie. Und die großen globalen Ungleichgewichte, die am Anfang der Katastrophe standen, seien durch den Zusammenbruch nicht geringer, sondern infolge der Rettungsmaßnahmen sogar noch größer geworden.
Was dieses Buch von den vielen anderen Veröffentlichungen zum Thema abhebt und lesenswert macht, ist neben seiner üppigen Informationsfülle, dem Spannungsbogen und dem erzählerischen Ton genau diese fundierte makroökonomische Perspektive, in die Piper seine Darstellung des Geschehens stellt. Für ihn waren die globalen Ungleichgewichte, besonders zwischen den Vereinigten Staaten und China, schon immer eine Zeitbombe: "Die reichste Nation der Erde wurde der mit Abstand größte Kapitalimporteur, das größte Schwellenland der größte Kapitalexporteur ... Es war klar, dass diese Ungleichgewichte nicht lange durchzuhalten waren."