Winsor McCay in Troisdorf : Der eine zahlt, der andere zeichnet
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Papiergewordene Träume: das Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf zeigt eine vorbildliche Ausstellung des Comic-Tausendsassas Winsor McCay.
Winsor McCay wusste, wie eine gute Idee aussieht - und wie man sie vermarktet. Der 1869 in Spring Lake, Michigan, geborene Sohn kanadischer Einwanderer verdiente sich erste Meriten als Reklamezeichner fürs einheimische Schaugewerbe, vor allem für die damals populären Freak-Shows, die seit P. T. Barnums erfolgreichem „American Museum“ gern unter dieser hochkulturellen Bezeichnung liefen. Doch in Wirklichkeit zeigten solche „Museen“ ihrem Publikum Sensationen, die Schaudern und Staunen provozierten. Darwins Evolutionstheorie als Umwertung der Natur schien jede Mutation denkbar gemacht zu haben, und all die haarigen Damen und elefantösen Herren bestätigten die wohlige Befürchtung. Die Massen strömten.
Das also machte eine gute Idee aus: Abartigkeit. Und so zeichnete Winsor McCay sie denn auch. Am 6. Juli 1911 erschien in der Tageszeitung „New York Journal“ ein Comicstrip seiner Serie „Midsummer Day Dreams“. Darin porträtierte McCay sich selbst, noch leicht trunken von den Exzessen des Nationalfeiertags am 4. Juli am Zeichenbrett sitzend und nach einer Idee suchend. Plötzlich hüpft ein winziges pelziges Etwas, das problemlos einem Bild von Bosch oder Brueghel entsprungen sein könnte, auf ihn zu, und der Zeichner weiß sofort: „Ha, das ist eine Idee!“ Was nicht schwer zu erkennen ist, denn das Wesen trägt die große Aufschrift „Idea“ auf dem behaarten Leib.
Mit einer Vorliebe für Albträume
Solche selbstreflexiven Scherze haben dem amerikanischen Zeichner in letzter Zeit noch mehr Beachtung verschafft als seine berühmteste Serie, „Little Nemo in Slumberland“. McCay wird mittlerweile weniger als ein Virtuose der Zeichenfeder geschätzt, der er zweifellos war, denn als höchst subtiler Bildkommentator von Zwängen und Träumen. Das beide nahe beieinander liegen, ist die bekannte Pointe von Freuds Theorien, die zur selben Zeit entstanden, als Winsor McCay seinen kometenhaften Aufstieg als Zeitungsillustrator nahm: zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber wie der Zeichner Traumwelten - und zwar eher Alb- als süße Träume - auf seinen spektakulär gestalteten Seiten inszeniert, das ist selbst ein Traum (und kein Alb): kaum ein Einfall, den McCay hinsichtlich Seitenarchitektur oder Farbgebung nicht schon gehabt hätte. Er ist einer der Großmeister des Comics. Doch er war noch viel mehr.
Das zeigt eine Ausstellung, die gerade im Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf eröffnet worden ist. In dieser Schau mit mehr als hundert Objekten gibt es selbstverständlich vor allem Comics von McCay zu sehen, und ein rundes Drittel davon sind sogar Originalzeichnungen. Doch es gibt auch vier Videostationen, wo man sich die Arbeiten des Trickfilmpioniers McCay ansehen kann. In Vitrinen liegen Zeugnisse der amerikanischen Kulturgeschichte - Magazine, Fotobände, Postkarten, Spielzeug, Theaterprogramme -, die jene Einflüsse dokumentieren, denen sich McCays Werk verdankt und die er selbst auf andere Künstler ausübte.
Und schließlich ist in der Remise der das Museum beherbergenden Burg Wissem jener heute am wenigsten bekannte Teil des McCayschen Werks untergebracht, der seinerzeit aber die größte Verbreitung und Wirkung genoss: seine Titelblattillustrationen für den Zeitungskonzern von William Randolph Hearst, für den McCay von 1911 bis zum Tod 1934 arbeitete.