https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/win-win-mut-zum-nichts-12550600.html
Edo Reents (edo.)

Win-win : Mut zum Nichts

  • -Aktualisiert am

Man muss sich das mal durch den Kopf gehen lassen: Vorausgesetzt, es bleibt bei dem befürchteten einen Drittel Nichtwähler am 22. September, dann würde die Partei der Nichtwähler zweitstärkste Kraft.

          1 Min.

          Eines muss man der Partei der Nichtwähler (PDN) lassen: Sie fordert unseren Scharfsinn heraus. Von welcher anderen Partei ließe sich das behaupten? In der Regel wirbeln vor der Wahl Vorwürfe wie „Lüge“ und „Wählertäuschung“ durch die Arena, und hinterher gibt es eigentlich nur noch gebrochene Versprechen zu beklagen - fertig ist die Laube namens „Politik“. Hingegen die PDN: Sie hat zwar ein Programm mit vertraut wirkenden Forderungen (mehr direkte Demokratie und diese Dinge), lässt aber gerade dadurch im Oberstübchen noch Raum für Erwägungen, die man nicht als Taschenspielereien abtun sollte, die im Grunde sogar auf das Problem „Sein oder Nichtsein?“ führen.

          Wer es lieber eine Nummer kleiner hat, lege sich folgende Frage vor: Kann man eine „Partei der Nichtwähler“ überhaupt wählen? Man kann, natürlich. Die Tatsache, dass sie selbst aus Nichtwählern zu bestehen scheint, bedeutet ja nicht, dass Wähler, die nicht in dieser Partei sind, sie nicht doch wählen können. Selbst wenn sie „Nicht wählbare Partei“ oder so hieße, änderte das daran nichts. Man sieht: Das Nichts nichtet ganz gehörig. Und jetzt wird es interessant; denn im Nu landet man, während man die Reize der formalen Logik zu kosten beginnt, bei einer knallhart ontologischen Fragestellung, zu der die besten Denker das Ihre gesagt haben: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Mit anderen Worten: Auf den PDN-Plakaten grinst uns die Fratze des Nihilismus an.

          Die Sachlage ist dabei folgende: Wenn eine Partei der Nichtwähler existiert, dann kann sie auch gewählt werden (es sei denn, wie dies schon einmal vorkam, der Wahlleiter entzieht ihr die Lizenz); aber sie kann auch nicht gewählt werden. Das hat sie mit allen anderen Parteien gemein. Aber bei ihr kommt noch eine Aporie hinzu, die den anderen eigentlich zu denken geben müsste: Vorausgesetzt, es bleibt bei dem befürchteten einen Drittel Nichtwähler am 22. September, dann würde die PDN zweitstärkste Kraft, vielleicht sogar, wenn Merkel irgendwie noch schlapp oder einen Fehler macht, stärkste - und das, obwohl sie wahrscheinlich nur von ganz wenigen Menschen gewählt wird! Denn ob sie nun gewählt wird oder nicht - die PDN wird gewählt. Eine lupenreine Win-win-Situation. Wir sollten uns darauf einstellen: Die Nichtwähler (wie die Partei auch genannt wird) kommen auf fünfunddreißig Prozent. Eleganter, müheloser ist noch niemand an die Macht gekommen. Und wodurch? Durch Mut zum Nichts. Genial.

          Edo Reents
          Redakteur im Feuilleton.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Delegierte auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt

          Gleichauf mit der SPD : Wundert sich jemand über den Erfolg der AfD?

          Die SPD kann in der Ampelkoalition kaum Akzente setzen. Der Kanzler fällt als Zugpferd aus. Die CDU profitiert nur wenig. Für die Themen, die Protestwähler in die Arme der AfD treiben, fällt ihnen allen nicht viel ein.
          Deutsche Verhältnisse: Der Textilhersteller Trigema fertigt in Burladingen – Ausbeutung finde anderswo statt.

          EU-Lieferkettengesetz : „Ein Sargnagel für den kleinen Mittelstand“

          Die Pläne der EU sehen noch schärfere Lieferketten-Regeln vor als in Deutschland. Viele in der Textilbranche finden das gut. Andere Mittelständler nennen das Gesetz weltfremd. Einer warnt: „Andere Nationen lachen über uns.“

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.