Überwachungs-Apps für Eltern : Wer schaut nach mir?
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Mit Spionage-Apps haben Eltern ihre Kinder ständig im Visier. Ist das der totale Kontrollwahn? Oder eine neue Dimension der Fürsorge?
Vom ehemaligen Google-Chef Eric Schmidt stammt der dystopische Satz: „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du nachdenkst.“ Doch das Drohgemälde von der Orwellschen Totalüberwachung ist insofern etwas unvollständig, als es eine unheilvolle Allianz aus Tech-Konzernen und Geheimdiensten unterstellt.
Das ist nur ein Teil des Bildes. Der Clou ist, dass mittlerweile Individuen diese Aufgabe persönlich wahrnehmen, indem sie mit Technologien wie Fitness-Tackern und Ortungsdiensten sich selbst und zunehmend auch ihr Umfeld ausleuchten.
Für diesen Zweck gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Apps, mit denen sich Kinder, Verwandte und Lebenspartner rund um die Uhr überwachen lassen. Besorgte Helikoptereltern können zum Beispiel die App „KidGuard“ auf dem Smartphone ihrer Sprösslinge installieren, um Textnachrichten zu tracken, die Browserhistorie einzusehen oder Kontakte, Social-Media-Posts und Orte zu kontrollieren.
Sogar gelöschte Messages lassen sich wiederherstellen
Sogar gelöschte Messages lassen sich per Fernsteuerung wiederherstellen. In einer Demo ist zu sehen, wie man das Leben seiner Kinder in Echtzeit „monitoren“ kann: Die jüngsten Gesprächsprotokolle aller Kontakte werden angezeigt, die letzten Anrufe mit Verbindungsdaten, auf einer Karte sind die letzten Standorte verzeichnet. Zudem lassen sich Fotos, SMS, Whatsapp-, Facebook- und Snapchat-Daten abrufen.
Mit dem Button „Add Child“ kann leicht ein neues Kontrollsubjekt hinzugefügt werden. Es ist, als wären Kinder bloß Avatare, die in einer Simulation auf programmierten Pfaden wandeln und deren Lebensinhalt einzig darin besteht, Signale an die Eltern zu senden. Auf der Website von „KidGuard“, dessen Wächterfunktion bereits im Namen anklingt, befindet sich eine Betriebsanleitung, wie man die Textnachrichten von Kindern ohne deren Wissen auswertet. „KidGuards“ Mission sei es, „Kinder online zu schützen“.
Ganz ähnlich funktioniert die App „mSpy“, die als „die ultimative Überwachungssoftware für Eltern“ angepriesen wird. Damit lassen sich unter anderem Anrufe verwalten, Textmitteilungen protokollieren, E-Mails abrufen sowie die Internetnutzung „beaufsichtigen“, wobei der pädagogisch anmutende Begriff der Beaufsichtigung hier fast schon ein Euphemismus für eine missbräuchliche Überwachung ist.
Wer nicht gestrig sein will, überwacht die Kinder in Echtzeit?
Die Arbeit werde diskret in einem „Background-Modus“ verrichtet, heißt es. Ein gewisser „Eduard aus Deutschland“ lobt: „Mein Sohnemann klebt rund um die Uhr an seinem Smartphone. Da möchte ich schon auch mal wissen, dass da nichts auf schiefe Bahnen ausschert. Mit ,mSpy‘ bin ich immer auf dem Laufenden, was er in der bunten Smartphone-Welt so treibt.“ Und Elijah aus Kanada sekundiert: „Eine gute Wahl für alle Eltern, die nicht von gestern sind.“ Wer nicht gestrig sein will, so der Tenor, überwacht die Kinder in Echtzeit.
Mit „Spyzie“ gibt es eine weitere „elterliche Kontrolllösung“, mit der man mittels Technologien wie GPS und Geofencing zu jeder Zeit weiß, was der Nachwuchs gerade so treibt: App-Nutzung, Kalenderaktivitäten, Messages, Anrufprotokolle, installierte Apps, Notizen und Erinnerungen, Internetnutzung, all das kann in Echtzeit gesteuert und verfolgt werden. Sogar Sprachaufzeichnungen lassen sich abhören.
Gewiss mag es für die Eltern ein beruhigendes Gefühl sein, zu wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten und ob sie möglicherweise mit zwielichtigen Gestalten herumlungern. Doch dort, wo Überwachung ubiquitär wird, mündet die elterliche Fürsorge in einer nannyhaften Hyperkontrolle, in der gläserne Jugendliche ihrer Privatsphäre beraubt werden und schon gar keine Individualität mehr ausbilden können.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Nicht nur Eltern überwachen ihre Kinder. Auch Lebenspartner und Kollegen spionieren einander aus. Die App „HelloSpy“ erlaubt es misstrauischen Eheleuten, dem Gatten oder der Gattin hinterherzuschnüffeln. Ist die App auf dem Gerät des Partners installiert, bekommt man Zugriff auf Standort- und Telekommunikationsdaten und kann so sehen, wo sich die Person gerade aufhält.
Nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ist der Mann wirklich auf Geschäftsreise, wie er treuherzig bekundete? Oder trifft er sich mit einer Geliebten? Auf der Website von „HelloSpy“ wird ein namentlich genannter Manager zitiert, der ein Team von zwanzig Angestellten leitet. Gegen einer seiner Mitarbeiter hegte er den Verdacht, dieser würde Firmengeheimnisse nach außen kommunizieren. Daraufhin installierte er die App auf allen Betriebshandys, identifizierte den Maulwurf und feuerte ihn.