
WDR und Nemi El-Hassan : Vertrauenssache
- -Aktualisiert am
Sie selbst würde sich als Moderatorin einstellen: Nemi El-Hassan Bild: WDR/Tilman Schenk
Der WDR hat der Journalistin Nemi El-Hassan abgesagt. Sie sieht sich als Opfer einer Kampagne. Doch das ist zu einfach.
Es gehe um eine „schwierige, schwierige“ Abwägung, hatte der WDR-Intendant Tom Buhrow mit Blick auf die mögliche Anstellung von Nemi El-Hassan als Moderatorin des Magazins „Quarks“ gesagt. Am Ende hat ihm die Journalistin die Entscheidung abgenommen.
Denn in dem Augenblick, in dem sie am Dienstag in der Berliner Zeitung schrieb, der WDR habe im Umgang mit ihr einer von Rechtsextremen induzierten Kampagne der Bild-Zeitung nachgegeben, war klar, dass es keine Vertrauensgrundlage für eine Zusammenarbeit mehr gibt.
Genau darauf hebt der Sender in seiner Erklärung ab, die wenige Stunden nach dem Erscheinen des Artikels von Nemi El-Hassan publik wurde: Ausschlaggebend für die Nichtanstellung sei El-Hassans „Verhalten in den sozialen Netzwerken und der Umgang damit gegenüber dem WDR“ gewesen. „Relevante Informationen – wie zum Beispiel das Löschen von Likes –“ habe der WDR „erst aus den Medien“ erfahren, obwohl man mit Nemi El-Hassan „im intensiven Austausch“ gewesen sei. Dies habe „von Beginn an das Vertrauensverhältnis belastet“.
Man kann nicht von einer rassistischen Kampagne sprechen
Ob Nemi El-Hassan ihren Artikel unter dem Eindruck geschrieben hat, das mit dem WDR werde ohnehin nichts mehr, wissen wir nicht, dass es danach mit der Moderation nichts mehr würde, wird sie einkalkuliert haben. Die persönliche Verletzung, von der sie schreibt, kann man nachvollziehen; die Ohnmacht, zum Hassobjekt, bedroht und Gegenstand einer Debatte zu werden, in der Nemi El-Hassan mit einer vermeintlich antisemitischen Haltung identifiziert wurde, die sie weit von sich weist.
Aber nur von einer rassistischen Kampagne zu sprechen, wird der Sache nicht gerecht. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es nämlich durchaus von Belang, ob jemand, der vor oder hinter der Kamera wirkt, bei dem judenfeindlichen Al-Quds-Marsch mitgelaufen ist, die vom iranischen Regime geleitete „Blaue Moschee“ besucht und im Internet Beiträge geliked hat, die den Boykott israelischer Waren oder den Ausbruch von sechs Gewalttätern aus einem israelischen Gefängnis feiern.
Selbst wenn man der Interpretation des früheren israelischen Botschafters Avi Primor und des Historikers Moshe Zimmermann folgt, die meinen, die Posts seien kein Anzeichen für Antisemitismus, sondern allenfalls für „Häme“ gewesen, stellt sich die Frage: Ist das eine Haltung, die zu einer Repräsentantin des dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks passt? Eine „Privatmeinung“, auf die sich Journalisten im Netz gerne berufen, die von der offiziellen Rolle zu trennen sei, kann das nicht sein. Der WDR hat, nach langem Zaudern und internen Zeichen, die verhießen, man werde mit Nemi El-Hassan zusammenfinden, richtig entschieden.