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Jürgen Kaube (kau)

Künstliche Intelligenz : Turing-Test

  • -Aktualisiert am

Sind die Fähigkeiten unseres Gehirns am Ende technisch reproduzierbar? Einstweilen, wird man konstatieren dürfen, hat der Mensch der Maschine manches voraus. Bild: dpa

Künstliche Intelligenz kann kenntnisreiche Texte über Hegels Logik schreiben. Trotzdem würden wir uns nicht mit einem Algorithmus zum Cappuccino verabreden. Worin genau unterscheiden sich Apparatur und Mensch?

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          Vor Kurzem wurde ein Mitarbeiter von Google entlassen, der sich in eine Form von Künstlicher Intelligenz verliebt hatte. Beschäftigt mit einem Algorithmus, der Antworten auf eingegebene Fragen gibt, schrieb er ihm menschliche Qualitäten zu. Die Maschine schien ihm ein echtes Gegenüber. Das war dem Konzern zu viel der Begeisterung für Künstliche Intelligenz. Womöglich war der Mitarbeiter auch sonst an­stren­gend, und so trennte man sich von ihm.

          Das wirft abermals die Frage auf, was die künstlich intelligenten Apparaturen von Menschen unterscheidet. Lange wurde vermutet, die Computer könnten nicht an­spruchs­voll kommunizieren. Die An­nah­me war, wir würden an den Antworten schon merken, dass es sich um Maschinen handelt. Inzwischen ist man sich da nicht mehr so sicher.

          Eine Software fertigt Texte an, von denen Professoren sagen, sie könnten sie nicht mehr von den Texten der Studenten unterscheiden. Das liegt zu­wei­len an den Fragestellungen, die den Studenten für ihre Hausarbeiten aufgegeben werden. Man kann sie maschinenhaft bewältigen, also hat die Maschine keine Schwierigkeiten mit ihnen.

          Wenn man fragt, welche Probleme es mit dem Anfang von Hegels Logik gibt – eine sehr spezielle Frage –, greift die Künstliche Intelligenz auf alle Texte zurück, die dazu digital verfügbar sind, und schreibt einen Bericht, der sich durch Kenntnis der Literatur auszeichnet. Wo bleibt dann der Mensch, an dem wir rührend festhalten?

          Ein Punkt wäre, Originalität im Sinne der Abweichung von im Internet-Archiv vorhandenen Texten zu einer Frage zu erwarten. Für Studenten wäre das allerdings zu viel verlangt. Warum sollten sie denn mehr als den Stand des bislang Gesagten zu einer Fragestellung wiedergeben können? Und das können inzwischen Computer eben auch. Liegt darin eine Kränkung für den Menschen?

          Im Grunde sagt die Fähigkeit der Algorithmen, das Internet durchforsten zu können und dann Texte hervorzubringen, die wir zuvor allein Menschen zugetraut haben, vor allem dies: Das Menschliche liegt nicht darin. Der Algorithmus kann Referate zum Anfang von Hegels Lo­gik hervorbringen, aber wir würden uns trotzdem mit ihm nicht auf einen Cappuccino verabreden. Und die Studenten würden in einer mündlichen Prüfung sich deutlich von den Computern unterscheiden, die ihnen Texte geliefert haben.

          Will sagen: Die menschlichen Fähigkeiten sind viel stärker in unseren Möglichkeiten verankert, etwas wahrzunehmen, es in Körperbewegungen umzusetzen und spontan zu reagieren, als in Kognitionen und in Wissen, das Texte hervorbringt. Doch wir müssen einschränken: Das gilt einstweilen.

          Jürgen Kaube
          Herausgeber.

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