
Was macht Freddy Quinn? : Ich denk an dich
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Freddy Quinn, 1979, auf dem Hochseil Bild: Picture-Alliance
Er war bei der Fremdenlegion, beim Zirkus und hat sechzig Millionen Tonträger verkauft. Dann wurde es still um ihn. Was macht eigentlich Freddy Quinn?
Was macht eigentlich Freddy Quinn? Deutschlands sehnsüchtigster Seefahrer, der nie zur See gefahren ist und trotzdem mit Liedern wie „Die Gitarre und das Meer“, „Unter fremden Sternen“ und „Junge, komm bald wieder“ in den sechziger Jahren zur Stimme der heimwehgeplagten Heimatlosen und Entwurzelten wurde. Als Nachfolger von Hans Albers – geboren zwar in Niederösterreich als Sohn einer Zeitschriftenverlegerin, aber als Sänger entdeckt auf der Bühne der „Washington Bar“ in St. Pauli – war er nicht nur bei der Fremdenlegion, sondern zeitweise auch als Akrobat im Zirkus tätig. Noch 1973 balancierte er in der Wiener Stadthalle ohne Netz über ein siebzehn Meter hohes Seil und blies dabei auf der Trompete. Da hatte er den Zenit seiner Karriere als Schlagerstar bereits überschritten – sechzig Millionen verkaufte Tonträger, siebzehn Goldene Schallplatten, Welttourneen bis nach Australien und Südafrika, aber schon Ende der Siebziger geriet er langsam in Vergessenheit.
War es Quinn anfangs gelungen, ein trauriges Gegengefühl zur Wirtschaftswundermunterkeit auszudrücken, stieß sein angebliches Kriegerlied „Hundert Mann und ein Befehl“ schon 1966 auf breite Ablehnung. Mit der aufkommenden Studentenbewegung, die so ganz und gar keine Melancholie kannte, konnte Quinn nichts anfangen. Und sie nichts mit ihm. So zog er sich in den plüschigen Komfort der Schlagerparaden und Fernsehshows zurück, trat in Bambi-prämierten Nostalgie-Filmen auf und begann eine zweite Karriere als Musical-Star. 2004 war Quinn zum vorerst letzten Mal im Fernsehen zu sehen, als Hamburger Nachtwächter in der ARD-Produktion „Erbin mit Herz“, im gleichen Jahr wurde auch bekannt, dass er eine knappe Million an Steuern hinterzogen hatte. Quinn, der sein Privatleben stets hermetisch abschottete, gestand und zog sich fortan vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück. Was macht Freddy Quinn heute?
Geboren ist er 1931, feiert also im nächsten Jahr seinen siebenundachtzigsten Geburtstag. Hat er vielleicht Lust auf einen Rückblick, ein Gespräch über die Höhen und Tiefen seines Lebens? Eine Anfrage in diese Richtung bleibt lange unbeantwortet. Dann, Monate später, kommt doch noch ein Brief. Frankiert mit einer maritimen Marke zum zweihundertsten Jubiläum des Dampfschiffs „Die Weser“. Als Absender nur: „Freddy Quinn“, kein Postfach, keine Adresse, die Welt weiß doch hoffentlich noch, wer hier schreibt.
Drinnen im Couvert nur ein kurzer Satz seiner Sekretärin, der besagt, dass Herr Quinn sich schon lange aus der Öffentlichkeit zurückgezogen habe. Man stellt sich vor, wie er in einem Sessel am Fenster sitzt und auf den Hamburger Hafen schaut. Die Schiffe zählt, wie sie tagein, tagaus in die weite Welt aufbrechen. Ob dieser alte Junge noch Sehnsucht hat? Man wird es wohl nicht mehr erfahren. Als Gruß von ihm bleibt eine Zeile aus dem Seefahrer-Lied, samt der Vorstellung davon, wie er jetzt gerade dasitzt und sich womöglich fragt, ob sich noch jemand an ihn erinnert: „Ich mach mir Sorgen / Sorgen um dich / Denk auch an morgen / Denk auch an mich.“