Novalisweg am Kyffhäuser : Du hast das Wunder der Welt gesehn
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Auf dem Novaliswanderweg Bild: Daniel Grummt
In Deutschland lässt sich auf Wegen wandern, die berühmte Namen tragen: Bach, Goethe, Luther. Aber weshalb sollte man das tun? Auf der Suche nach Antworten entlang des Novaliswanderweges im Kyffhäuserkreis.
Irgendwo hier könnte er gestanden haben: der Frühromantiker Friedrich von Hardenberg, besser bekannt unter seinem Künstlernamen „Novalis, der Neuland Bestellende“; einen Steinwurf vom Fluss Unstrut entfernt, inmitten eines kleinen Städtchens namens Artern, in dem schon Goethes Urgroßvater als Schmied gewirkt haben soll. Alles hunderte Jahre her und trotzdem im Ort selbst unvergessen.
Dem Andenken an Novalis hat der Kyffhäuserkreis im letzten Jahr einen eigenen Wanderweg gewidmet. Seitdem ist es möglich, ganz offiziell auf den Spuren des Dichters von Artern bis ins knapp zwanzig Kilometer entfernte Kyffhäusergebirge zu wandern. Aber weshalb sollte man diesen Aufwand betreiben? Warum sollte man sich ausgerechnet auf einen Weg begeben, den vor mehr als zweihundert Jahren schon ein anderer begangen haben soll? Und überhaupt: Ist das Wandern im 21. Jahrhundert nicht generell eine vollkommen antiquierte Praxis der Fortbewegung?
Novalis ist tot, es lebe Novalis
Um den Novalisweg komplett bewandern zu können, muss man erst einmal nach Artern gelangen. Ein Unterfangen, das auch den Spross eines alten norddeutschen Adelsgeschlechts vor gewisse Herausforderungen gestellt haben dürfte. Während man heute relativ komfortabel zum Beispiel mit dem Zug von Erfurt oder Magdeburg aus anreisen kann, da die Stadt seit 1879 über einen eigenen Bahnanschluss verfügt, war Novalis diese Reisemöglichkeit am Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht vergönnt. Wahrscheinlich nahm er das Pferd, eventuell die Kutsche oder lief gar zu Fuß in langen Tages- oder Nachtwanderungen, um das Ziel seiner Reise zu erreichen.
Daran lässt sich bereits erkennen: Heute auf Wanderschaft zu gehen, ist ein Privileg, bei dem man sich ganz bewusst gegen andere Mobilitätsformen entscheidet. Um 1800 war es dagegen eine Notwendigkeit, zu der es nicht wirklich viele Alternativen gab – Flugzeuge, Eisenbahnen und Autos existierten noch nicht. Den Novaliswanderweg heute zu begehen, bedeutet daher gewissermaßen nachzuerleben, wie es für jemanden gewesen sein muss, damals von Ort zu Ort zu gelangen. Und doch hinkt dieser Vergleich ein wenig, wie man bereits am Beginn der Unternehmung feststellen kann.
Vom Bahnhof in Artern gelangt der Nachwanderer nämlich über ausgeschilderte gepflasterte und asphaltierte Wege recht zügig zunächst ins Zentrum der Stadt und schließlich zum Ausgangspunkt der Wanderung im Salinepark. Es darf bezweifelt werden, ob Novalis eine vergleichbare Beschilderung für seine Reisen zur Verfügung stand.
Im Salinepark lässt sich einer Informationstafel entnehmen, dass Novalis am zweiten Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt als zweites von elf Kindern zur Welt gekommen ist und bereits am fünfundzwanzigsten März 1801 im Alter von gerade einmal achtundzwanzig Jahren in Weißenfels verstarb. Umso bemerkenswerter, was er in dieser kurzen Lebensspanne alles geschafft hat. So studierte er zunächst Anfang der 1790er Jahre Mathematik, Philosophie und Rechtswissenschaft in Jena, Leipzig und Wittenberg, um gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch ein Studium des Bergbaus und der Naturwissenschaften in Freiberg zu absolvieren. Im Anschluss daran arbeitete Novalis von der Direktion in Weißenfels aus als Assessor für die Salinen in Dürrenberg, Kösen und eben in Artern. Vor allem zwischen 1798 und seinem Tod entstanden verschiedene literarische sowie philosophische Arbeiten, zu denen beispielsweise der Gedichtzyklus „Hymnen an die Nacht“ gehören. Allen diesen Professionen und Interessen ging Novalis – so gut es eben ging – parallel nach und war stets darum bemüht, sie miteinander zu verbinden.