Vor Schloss Bellevue : Schuhe für den Präsidenten
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Occupy Bellevue! Der Amtssitz des Bundespräsidenten, am Samstagnachmittag Bild: Gyarmaty, Jens
Protestieren gegen den Bundespräsidenten: Vor dem Schloss Bellevue kamen am Samstag Demonstranten zusammen, um Christian Wulff ihre Schuhe zu zeigen. Oder auch ein Paar Boxhandschuhe.
Eigentlich ist Bellevue ein schöner Ort zum Demonstrieren: Man hat den Blick auf die Spree, den Tiergarten, die Siegessäule und natürlich auf das Schloss. Doch in Berlin kann der Himmel grauer sein als anderswo. Als die Demonstration begann, war es kalt, und ein klebriges Nieseln hing in der Luft. Obendrein war Wulff überhaupt nicht da. „Auf der Skihütte bei Freunden“, scherzte einer der zahlreichen Polizisten. Zumindest waren viele Kameras am Ort - man konnte eine Nachricht hinterlassen.
Der Veranstalter „creative lobby of future“ hatte aufgerufen, zum recht neuen Protestmittel Schuh zu greifen: „Wir wollen ihm die Schuhe zeigen, aber nicht werfen.“ Das Mittel aus dem arabischen Verachtungsrepertoire wurde schon gegen Guttenberg eingesetzt. Wer es noch nicht kannte, konnte es hier erlernen. Mehr als achthundert Menschen hatten auf Facebook ihr Kommen angekündigt. Etwa dreihundert waren letztendlich da. Niemand war barfuß. Alle hatten einen Drittschuh dabei. Wanderstiefel, teils paarweise verschnürt, waren häufig vertreten. Einer hielt das lasergedruckte Foto eines Schuhs in einer Klarsichtfolie über sich, jemand anderes trug Boxhandschuhe. Man sah zwei Verliebte mit neuen Babyschuhen. Ein älteres Paar mit einem älteren Paar.
Erfahrung mit der Sache oder zumindest Voraussicht zeigte, wer den Schuh nicht in der bloßen Hand hielt, sondern irgendeine Art Armverlängerung dabeihatte. Da waren ein Slipper an Angelrute, ein Sportschuh auf Dachlatte, High-Heel auf Buchenast, Dominastiefel über Regenschirm gestülpt. Ein älterer Herr trug einen Herrenschuh an einer Beinprothese über der Schulter spazieren.
Am rechten Rand, von Ordnern abgedrängt, standen einige wenige Anhänger der Partei „Die Freiheit“ und verteilten Flugblätter, die mitteilten, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Das schien ihnen der wichtigste Rücktrittsgrund. Die laute Mehrheit der Protestierenden sah das anders und distanzierte sich in Schritten und Worten. Die fünfjährige Lotte demonstrierte auf dem Arm ihrer Mutter gegen den „Bundespräsidunt“. Die große Schwester, die achtjährige Pauline, weiß: „Er hat gelogen!“ Ein kleiner Junge auf den Schultern seines Vaters rief: „Der guckt nichma ausm Fenster!“
Protestierende und Presse spekulierten, der Präsident könne in dem erleuchteten Zimmer im Erdgeschoss sitzen. Die Fahne wehte auf dem Schlossdach. Die Polizisten aber wussten, dass sie ein leeres Schloss bewachen. Der Bundespräsident sei wahrscheinlich in seiner Dahlemer Dienstvilla, konnte man an der Pforte erfahren. Doch dorthin durfte nur, wer nicht protestierte. Die Schlossseite der Straße war dem unpolitischen Rumstehen vorbehalten. Touristen knipsten dort. Die Demonstranten mussten von der anderen Straßenseite zum Schloss hinüberrufen. Die Protestpoeten texteten: „Wulff in die Produktion!“, „Schäm dich! Und zwar woanders!“, „Dieses Amt verdient Talent/Georg Schramm als Präsident!“
Die Masse blies in die, vom Veranstalter gestellten, roten Plastiktrillerpfeifen. Eine Vuvuzela stach aus dem Pfeifkonzert. „Du sollst nach Hause gehen!“, fand nicht genug Mitsinger. Der Protestchor rief: „Schäm dich!“ und „Wulff muss weg!“ Über den Köpfen trampelten Schuhe im Takt.