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Der Verkehrsstreik verpufft : Wo bleibt das Chaos?

Voller wurde es am Leipziger Hauptbahnhof am Streiktag nicht mehr: Dieses Foto zeigt ihn kurz vor Beginn des Verkehrsstreiks in der Nacht von Sonntag auf Montag. Bild: dpa

Keine Verzweiflung, keine irritierten Massen: Der bundesweite Verkehrsstreik trifft auf Gleichgültigkeit, weil so viele aufs Homeoffice zurückgreifen können.

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          Die Bilder sprechen für sich: leere Bahnsteige und Flughallen. Doch von Chaos oder gar Verzweiflung war keine Spur am gestrigen bundesweiten Verkehrsstreiktag. Wir hatten ja auch Zeit, uns vorzubereiten, europaweit. In der Schweiz etwa liefen schon am Freitag Warnnachrichten auf den Anzeigetafeln der Bahnhöfe, die über die kommende Streiksituation in Deutschland (und auch Frankreich) informierten, und die Deutsche Bahn hatte gar nicht erst versucht, die Illusion eines Notfahrplans zu erzeugen, die dann doch nur Menschen sinnloserweise in die Bahnhöfe getrieben hätte wie im Oktober 2014, Dezember 2018 oder August 2021 (um nur an einige markante Bahnstreiks der jüngeren Vergangenheit zu erinnern, bei denen die Bilder anders aussahen als jetzt).

          Mehr Jogger als potentielle Bahnreisende

          Andreas Platthaus
          Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

          In Leipzig waren am frühen Montagmorgen mehr Jogger rund um den Hauptbahnhof unterwegs als potentielle Bahnreisende, und in Berlin dürfte, wenn man die Fernsehberichterstattung als Maßstab nimmt, die Zahl der die verwaisten Gleise filmenden Journalisten die der doch noch anwesenden Fahrwilligen auch deutlich überstiegen haben.

          Wo aber waren all die Pendler? Natürlich zum Teil in ihren Autos, aber die Staumeldungen waren nicht umfangreicher als an einem Montagmorgen üblich, und das winter­liche Wetter war in manchen Regionen ein deutlich hemmenderer Faktor als die Gewerkschaften. Viele Arbeitnehmer blieben einfach zu Hause, vor ihren während der Pandemie eingerichteten Homeoffice-Bildschirmen und machten noch einmal einen Tag lang das, woran sie sich drei Jahre lang hatten gewöhnen können: Berufstätigkeit aus der Ferne.

          Es ist viel darüber gesprochen worden, was für einen Modernisierungsschub die pandemische Zwangslage im Ar­beitsleben nach sich gezogen hat. An diesem Montag ist die Probe darauf gemacht, und in Berufssparten, die keine Anwesenheit am Ar­beitsplatz verlangen, ist sie bestanden worden. Corona erweist sich als effektiver Streikbrecher. Die Gewerkschaften werden sich künftig etwas einfallen lassen müssen, wenn sie mit Verkehrsstreiks wieder Schrecken verbreiten wollen. Zwar ist die öffentliche Sympathie für den Streik diesmal größer gewesen als in früheren Fällen, aber das ist auch Folge mangelnder Betroffenheit. Wer sich nicht bewegen muss, kann einem Verkehrsstreik leicht gewogen sein.

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