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Vatikanische Briefmarkenpanne : Weitergehen! Hier gibt’s nichts zu entdecken!

Landnahme für einen guten Zweck? Das Motiv des Anstoßes der zurückgezogenen Briefmarke Bild: Vatikan

Papst Franziskus als Seefahrer, Entdecker und Eroberer? Das Motiv einer vom Vatikan eilends wieder einkassierten Briefmarke sorgt nicht nur in Portugal für Aufregung.

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          Franziskus weist den Weg. Dem Papst folgt eine Schar junger Leute mit Rucksack, einem Ball und einer portugiesischen Flagge. Mit einer eigenen Briefmarke wollte der Vatikan einen philatelistischen Beitrag zum Weltjugendtag leisten, zu dem der Papst und eine Million Teilnehmer Anfang August in Lissabon erwartet werden. „So wie der Steuermann Heinrich die Besatzung bei der Entdeckung der Neuen Welt anführt, so führt Papst Franziskus die Jugend und die Kirche“, hatte es aus dem Vatikan zunächst erläuternd geheißen.

          Doch dass ausgerechnet das monumentale „Denkmal der Entdeckungen“ das Motiv inspirierte, rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Kaum war die päpstliche Marke in der vergangenen Wo­che vorgestellt worden, wurde sie schon wieder zurückgezogen – zu­mindest Sammler, die ein Exemplar ergattert hatten, dürften begeistert sein.

          „Sehr geschmacklos“

          Nicht nur in sozialen Netzwerken weckte das Vorbild sofort schmerzhafte historische Assoziationen. Der portugiesische Bischof Carlos Moreira Azevedo, der dem Päpstlichen Komitee für Historische Wissenschaften angehört, nannte die Darstellung „sehr geschmacklos“ und fügte laut Presseberichten hinzu: „Papst Franziskus identifiziert sich gewiss nicht mit diesem nationalistischen Bild, das der universellen Brüderlichkeit und seinem Lehramt widerspricht.“

          Das wuchtige „Padrão dos Descobrimentos“ ist ein beliebtes Postkartenmotiv und erhebt sich im Stadtteil Belém in Lissabon am Ufer des Flusses Tejo. Es wurde 1960 anlässlich des fünfhundertsten To­destages von Heinrich dem Seefahrer fertiggestellt. Die Salazar-Diktatur feierte damit das „Portugiesische Weltreich“ und seine Seefahrer mit Heinrich am Bug der steinernen Karavelle; dessen Platz nimmt auf der Briefmarke der Papst ein.

          Ausgeblendet bleiben die Folgen der Ex­pansion, wie die Sklaverei und die Kolonialkriege in Afrika, die 1974 zu Ende gingen. Damals wurden dort die letzten portugiesischen Kolonien unabhängig. Erst im März hatte sich der Vatikan von der „Doktrin der Entdeckungen“ distanziert, mit der in der Kolonialzeit Unrecht und Verbrechen an indigenen Völkern gerechtfertigt worden waren, für die sich der erste lateinamerikanische Papst in der Geschichte schon mehrmals selbst entschuldigt hatte.

          Die Verwaltung des Stadtstaates teilte inzwischen mit, man sei „dabei, eine neue Briefmarke als Ersatz zu liefern“. Über das neue Motiv ist noch nichts bekannt.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

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