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Unzureichendes Waffenrecht : Aus Sport wird eben doch Mord

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Die EU will vor allem private Schusswaffen verbieten, die Sturmgewehren ähneln. Doch Attentäter wie Anders Breivik erschossen ihre Opfer mit ganz normalen Sportwaffen, wie man sie in Vereinen benutzt: Projektion einer Tatwaffe auf der Insel Utøya im Osloer Gericht Anfang Mai 2012. Bild: Picture-Alliance

Nichts aus den Massakern gelernt: Mehr als 200 Menschen wurden in den vergangenen Jahren mit Waffen deutscher Sportschützen getötet. Die EU-Waffenrechts-Initiative reicht nicht.

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          Beim Massaker Mitte November in Paris sind die weitaus meisten Opfer, wie schon 2011 bei den Terror-Anschlägen in Norwegen, nicht mit Sprengstoff, sondern mit Handfeuerwaffen ermordet worden. Einer der drei Todesschützen in der Konzerthalle Bataclan (89 Opfer) hat nach Informationen französischer Medien das Schießen in einem Polizei-Schützenverein gelernt. Doch die EU-Kommission will mit ihrer Gesetzes-Initiative nach dem Gemetzel am Privileg privater Mordwaffen wenig ändern.

          Verboten werden soll im Wesentlichen folgendes: erstens der private Besitz von vollautomatischen, blockierten Schusswaffen, zum Beispiel Kalaschnikow-Attrappen; zweitens private Schusswaffen, die aussehen wie (vollautomatische) Kriegswaffen; drittens der private Besitz von Magazinen mit höherer Kapazität. Wie unzureichend das ist, zeigte schon der Terrorist Breivik, der als Sportschütze auch mit seiner halbautomatischen Sportwaffe im Juli 2011 auf Utøya fast siebzig Menschen erschoss. Vor seinem Eintritt in einen Osloer Schützenverein hatte er sich vergeblich darum bemüht, in Berlin oder Prag eine illegale Waffe zu bekommen – als Vereinsschütze bekam er dann problemlos eine Glock-Pistole. Dass der Todesschütze auf der Ferieninsel mit weniger Patronen pro Magazin weniger Menschen umgebracht hätte, ist eher unwahrscheinlich.

          Etliche Massaker, unzählige Einzelfälle

          Der Kugelhagel in Paris ist ein Grund mehr, den Irrsinn legaler privater Schusswaffen endlich zu beenden, nicht nur in Deutschland. Die Innenministerin Großbritanniens, Theresa May, will nach den Anschlägen erreichen, dass die europäischen Staaten die strengen britischen Waffengesetze übernehmen. Dort verbot man nach dem Schulmassaker eines Sportschützen in Dunblane 1996 private Faustfeuerwaffen, also Pistolen und Revolver. Private halbautomatische Gewehre sind dort schon seit 1988 verboten, nach einem Sportwaffen-Amoklauf in Hungerford.

          Erst im vergangenen Mai hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beschwerde gegen das deutsche Waffengesetz, die der Autor dieser Zeilen gemeinsam mit Hinterbliebenen des Winnender Schulmassakers eingelegt hatte, ohne weitere Prüfung abgewiesen. „Das Schreiben aus Straßburg ist ein Dokument acht- und respektloser Ignoranz“, lautet der Kommentar der „Winnender Zeitung“. Anfang 2013 hatte auch das Bundesverfassungsgericht unsere Klage für ein Verbot tödlicher Sportwaffen abgelehnt.

          So sind die europäischen Waffengesetze überwiegend lasch – selbst nach etlichen Sportschützen-Massakern unter anderem in Frankreich (Nanterre 2002, acht Tote), Deutschland (Erfurt 2002/Winnenden 2009, 31 Tote), der Schweiz (Zug 1991, vierzehn Tote), Österreich (Mauterndorf 1997, sechs Tote), der Slowakei (Bratislava 2010, sieben Tote), Tschechien (Uhersky Brod 2015, acht Tote), Finnland (Jokela 2007/Kauhajoki 2008, achtzehn Tote) und Norwegen (Utøya 2011, 69 Tote). Hinzu kommen unzählige sogenannte Einzelfälle, deren Zahl die der Opfer von aufsehenerregenden Amokläufen deutlich übersteigt.

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