Unzureichendes Waffenrecht : Aus Sport wird eben doch Mord
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Zynischer Kommentar des Vizepräsidenten des Deutschen Schützenbundes, Jürgen Kohlheim, zur Opferliste der Sportmordwaffen-Initiative: „Diese Statistik mit den über hundert Toten in zwanzig Jahren ist schlicht falsch. Es werden den Sportschützen Taten in die Schuhe geschoben, die mit Sportschützen überhaupt nichts zu tun haben ... Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Insbesondere seien auch alle Selbstmorde, die mit Sportwaffen begangen worden sind, mitgezählt. Diese Behauptung ist unwahr. Nachzulesen in der nach aufwendigen Recherchen jetzt um vierzig Opfer erweiterten Liste, mit näheren Fallschilderungen und Quellenangaben.
Zugang zu Schusswaffen, die das Militär verwendet
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat die Waffenrechts-Initiative mit den Worten begründet: „Wir können und werden nicht zulassen, dass organisierte Kriminelle in Europa Zugang zu Schusswaffen von militärischem Rang haben.“ Dabei haben, ebenso wie Breivik in Norwegen, Terroristen, Neonazis, Salafisten und dergleichen auch anderswo in Europa als Sportschützen Zugang zu Schusswaffen, wie sie beim Militär verwendet werden. So war die unter anderem bei den Massakern auf Utøya, in Erfurt und Nanterre verwendete Glock-Pistole für das österreichische Bundesheer entwickelt worden; sie ist auch in der norwegischen Armee die Standard-Faustfeuerwaffe. Die Winnender Tatwaffe Beretta 92 FS ist die offizielle Dienstpistole der amerikanischen Armee.
Bereits nach den Pariser Anschlägen im vergangenen Januar verwies „Die Welt“ unter der Überschrift „Angst vor Dschihadisten aus dem Schützenverein“ auf Sportschützen wie den Salafisten Koray D.; er soll laut Staatsanwaltschaft zu einer islamistischen Terrorzelle gehören und steht derzeit wegen Verabredung zum Mord vor Gericht. Und im August hat die Landesregierung von Sachsen-Anhalt eingeräumt, ihr seien vierzehn Rechtsextremisten bekannt, die als Sportschützen legal scharfe Waffen besitzen.
„Wir können nicht in Köpfe hineinsehen“
Von Sportschützen gehe „keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ aus, hat der Deutsche Schützenbund im November, nach den Morden in Paris erklärt: „Sportschießen mit den dafür verwendeten Waffen – die absolut keine Kriegswaffen sind – stellt angesichts der staatlichen Überwachung kein Sicherheitsrisiko dar; insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass Sportwaffen von Terroristen oder Kriminellen zu ihren schändlichen Zwecken missbraucht werden.“ Die EU-Waffenrechts-Initiative dürfe „nicht in bloßem Aktionismus münden, der – wieder einmal – nur die legalen Waffenbesitzer trifft“.
Und schließlich ganz unverhohlen: Der Deutsche Schützenbund habe „in Kooperation mit den befreundeten nationalen und internationalen Verbänden umgehend Kontakt zu den jeweiligen politischen Ansprechpartnern aufgenommen, um weitere Einschränkungen im schießsportlichen Bereich in Europa zu verhindern“.
Einmal, im Frühjahr 2011, klang es etwas anders: „Wir können nicht in Köpfe hineinsehen und erkennen, wie jemand in Extremsituationen reagiert“, hatte DSB-Vizepräsident Kohlheim erklärt, nachdem in Hamburg wieder ein Sportschütze zum Mordschützen wurde. In Deutschland gibt es legal 5,8 Millionen private Pistolen, Revolver und Gewehre. 1,5 Millionen Bürger dürfen tödliche Schusswaffen besitzen. Die meisten davon sind Sportschützen.