https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ungeliebtes-preussen-was-wird-aus-der-preussenstiftung-18569478.html
Jürgen Kaube (kau)

Zukunft der Preußenstiftung : Das ungeliebte Preußen

  • -Aktualisiert am

Das Prunkstück der Preußenstiftung: Die Museumsinsel in Berlin Bild: dpa

Kunst, kann weg: Claudia Roth will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zukunftsfähig umbenennen. Mit Argumenten von gestern.

          3 Min.

          Der größte deutsche Komplex aus Museen wird von der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ (SPK) verwaltet. Ihr Name ergab sich 1957 aus dem Umstand, dass Preußen zwar schon zehn Jahre lang nicht mehr existierte, aber seine Kunstsammlungen, Archivbestände und Bibliotheken in eine von Bund und Ländern finanzierte Institution überführt wurden. Als Hinweis auf die Herkunft dessen, was im Geheimen Staatsarchiv, der Staatsbibliothek und den Staatlichen Museen gesammelt worden war, war der Name eine Reverenz an die Vergangenheit.

          Hausaufgaben nicht einmal angegangen

          Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) hat nun erklärt, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz umbenennen zu wollen. Da sie ihre Hausaufgaben bei der Neuorganisation der Stiftung noch nicht einmal angegangen ist, soll der Wechsel des Türschilds Aktivität mitteilen. Der Name Preußens, so Roth, passe nicht zum Kulturbesitz. Was hätten Andy Warhol und Joseph Beuys, deren Werke inzwischen zu ihm gehören, denn mit Preußen zu tun? Man brauche außerdem einen Namen, der in die Zukunft weise, und einen, von dem sich alle Teile Deutschlands angesprochen fühlen könnten.

          Nun ist es mit der Zukunft in Museumsfragen so eine Sache. Sie lässt sich nicht ausstellen. Auch Warhol ist von gestern. Ein Name, der ihn und Beuys zusammen mit musikethnologischen Wachswalzen, Partituren von Beethoven, preußischen Ministeriumsakten oder Luthers he­bräischer Bibel überwölben könnte, dürfte recht allgemein ausfallen. Was hätte denn die Nofretete mit dem Leutnant Katte zu tun, außer dass zu beiden in Berlin gesammelt werden konnte, weil es einmal Preußen gab?

          Dass eine Sammlung moderner Kunst Preußen nichts verdankt, ist insofern eine Halbwahrheit: Preußens kulturelle Konkursmasse war die Voraussetzung dafür, dass es in Berlin heute eine einzigartige Bildungslandschaft gibt.

          Claudia Roth bei einer Pressekonferenz des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
          Claudia Roth bei einer Pressekonferenz des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz : Bild: dpa

          Die Trivialität, dass Deutschland mehr als Preußen ist, hat die Ministerin nicht unterdrücken können. Der Name hat das einerseits nie geleugnet. Er ist das Zeichen einer Herkunft von Beständen und Gebäuden und war noch nie mit einem Argument verbunden. Wenn es um Ankäufe, Bauten und Ausstellungsprogramme geht, legt er nichts fest. Was soll es also heißen, auch Bayern und Hessen müssten sich mit dem Stiftungsnamen „identifizieren“ können, was derzeit nicht möglich sei?

          Parzinger pfeift Roths Melodie mit

          Was man sich unter einem Namen vorstellen soll, der in die Zukunft weist, bleibt das Geheimnis von Claudia Roth. Das hindert den Präsidenten der SPK, Hermann Parzinger, nicht, nach vierzehnjähriger Amtszeit die Melodie seiner neuen Chefin mitzupfeifen. Er will im Ausland nicht mehr ständig erklären müssen, was es mit dem Namen auf sich hat. Er nennt ihn sogar einen Wettbewerbsnachteil. Der Mann hat es wirklich schwer. Dass der weltgrößte Museumskomplex mit Sitz in Washington, D.C. „Smithsonian Institution“ heißt und nach einem britischen Mineralogen des 19. Jahrhunderts benannt ist, erwähnt Parzinger nicht. Als Echo Roths wünscht er sich einen Namen, „der nicht nur unsere zweifellos wichtigen Wurzeln betont, sondern auch Perspektiven für die Zukunft eröffnet“. Eine Zukunft, die auch er naturgemäß nicht kennt.

          Perspektiven durch einen Namen? Kann Parzinger sich vorstellen, dass in Paris einer unbestimmten Zu­kunft halber irgendjemand an die Umbenennung des Musée d’Orsay denken würde, nur weil es an einen Bahnhof erinnert, dessen Name sich vom Oberhaupt der Pariser Binnenschiffer um 1700 herleitet? Von der Tate Britain und dem Victoria and Albert Museum einmal ganz abgesehen. Der Prado in Madrid heißt nach einer Wiese, die Florentiner „Gallerie degli Uffizi“ wären mit „Bilder­säle der Amtsstuben“ zu übersetzen, die St. Petersburger Eremitage mit „Einsiedelei“. Niemand käme an all diesen Orten auf die verrückte Idee einer Namensänderung, weil man sich jetzt mehr mit dem globalen Süden beschäftigen müsse und die Vergangenheit dabei angeblich ein Hindernis sei.

          Hier liegt der eigentliche Punkt, den Claudia Roth machen will. Vergangenheit, zu der ihr keine schlichte Geste einfällt, interessiert sie nicht. Erinnerung ist genau so lange gut, solange sie moralisch eindeutig ist. Aber Geschichte ist niemals moralisch eindeutig. Preußen ist Roth unangenehm, weil sie so viel Ungutes darüber gehört hat. Dass zu Preußen auch Kant und Humboldt, das Allgemeine Landrecht und die Schulpflicht, Schinkel und Menzel, Voltaire, E.T.A. Hoffmann und Fontane, ja Heiner Müller gehören, bremst ihren Affekt nicht.

          Vielleicht weiß sie auch gar nichts davon. Wir wünschen jedenfalls viel Vergnügen bei der Findung eines Namens, mit dem sich alle Deutschen identifizieren können, der zu Warhol, Beuys und Nofretete passt und in die Zukunft weist.

          Jürgen Kaube
          Herausgeber.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Umrüstung notwendig: Mit Ol betriebene Heizungen finden sich noch in zahlreichen Einfamilienhäusern.

          Nach Koalitionsausschuss : Ampel einigt sich auf Heizungs-Gesetz

          Neue Heizungen sollen von 2024 an mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Das sieht der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vor, auf den sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsausschuss geeinigt haben.
          Lissabonner Bürger demonstrieren im Februar für günstigen Wohnraum.

          Wohnungsnot in Portugal : Homeoffice-Nomaden gegen Einheimische

          Reiche Ausländer kaufen den Wohnungsmarkt in Lissabon leer, um dort im Homeoffice zu arbeiten. Die Einheimischen können die Mieten nicht mehr zahlen. Sie leben in Blechhütten.

          Uhrenmesse : Das Wunder von Genf

          Die Uhrenbranche zelebriert in Genf die „Watches and Wonders“. Wir stellen die wichtigsten Neuheiten vor. Unter anderem Zeitmesser von IWC, Jaeger-LeCoultre und Panerai.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.