Flirt mit der Diktatur
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Kerzen zum Gedenktag der Opfer des Holocausts am Mahnmal von Budapest Bild: Picture-Alliance
Auf verlorenem Posten: Der „Ungarische Bürgerbund“ von Viktor Orbán manipuliert das kulturelle Gedächtnis von Budapest. Die Bevölkerung protestiert.
Sechzig Paar Schuhe aus Eisen, unverrückbar. Herrenschuhe und Damenschuhe. Flache Halbschuhe, Stöckelschuhe, Galoschen mit schweren Schnürsenkeln. Manche Schuhe stehen sehr ordentlich da, als wäre es unmittelbar vor dem Sterben noch darauf angekommen.
Das Mahnmal in Budapest, gleich am Donauufer, stammt aus dem Jahr 2005 und gehört wohl zu den ergreifendsten Gedenkstätten überhaupt. In den Jahren 1944 und 1945 erschossen die Pfeilkreuzler hier mehrere tausend ungarische Juden – die Körper fielen ins Wasser und wurden vom Fluss davongetragen. Eine Energie der Abwesenheit geht von dem Werk der Künstler Gyula Pauer und Can Togay aus. Menschen kommen, egal bei welchem Wetter, und schauen, aber man sieht am Ufer im VI. Budapester Bezirk keine Spaß-Selfies. Und weil die Schuhe so klein sind, erwischt jeder, der fotografiert, vieles mit, Wasser, Wolken, die Donaubrücken im Hintergrund. Umso gähnender die Leere über den Schuhen.
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