TV-Kritik: Hart aber fair : Hasspropaganda und geistiger Müll
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So übten sich Stegner und die Zuschauerredaktion des Ersten in der Kunst der intellektuellen Selbstentleibung. Die Sendung selbst wirkte dagegen wie die hohe Kunst des zivilisierten Umgangs unter mündigen Bürgern. Kurioserweise ging es dabei für eine Talkshow fast schon zu harmonisch zu, wie es der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler zutreffend formulierte. Obwohl er sich um eine klare Positionierung gegenüber der AfD bemühte, genauso wie die Innenpolitikerin Irene Mihalic von den Grünen. Das gelang nicht, obwohl beide sicherlich nicht als Kollaborateure des aufkommenden Faschismus gelten können.
Das hatte einen anderen Grund: Junge entsprach nicht nur nicht dem Bild des Rechtsextremisten, er ist auch keiner. Das bestimmte allerdings die Debatte der vergangenen Wochen. Dort war die AfD als rechtsradikal, rechtsextremistisch oder als Nazipartei deklariert worden. Besonders einfältige Zeitgenossen machten sie sogar zu Mittätern im Mordfall Lübcke.
Nur ist Junge nichts davon. Er war Berufsoffizier mit Auslandseinsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan, zudem fast vierzig Jahre in der CDU. Junge wurde zum Gewinner dieser Sendung, weil er die Wirklichkeit mit der Propaganda des politischen Gegner kontrastieren konnte. So wird es wahrscheinlich auch notorischen Fremdenfeinden in seiner Partei gehen, wenn sie von folgendem Fall hören.
Am Arnsberger Franz-Stock-Gymnasium machte in diesen Tagen ein junger Mann ein Einser-Abitur mit besonderer Auszeichnung für seine Leistungen in den Naturwissenschaften. Das ist nicht ungewöhnlich. Er kam allerdings vor vier Jahren als Flüchtling zu uns, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. So findet man in allen politischen Lagern das Phänomen, der eigenen Propaganda durch die Kontrastierung mit der Realität zum Opfer zu fallen.
Entsprechend war der gestrige Abend für die Zuschauer eine Enttäuschung, die die AfD als rechtsradikal, rechtsextremistisch oder nazistisch deklariert sehen wollten. Junge hatte dieses „Forum“ insofern gut genutzt, womit die Befürchtungen der Zuschauerredaktion des Ersten paradoxerweise eine Begründung fanden. Trotzdem wurde das keine Wahlwerbesendung für die AfD als „konservative Rechtsstaatspartei“, so der Werbeblock von Junge.
Nur weil die AfD nicht rechtsextremistisch ist, macht das ihre Rhetorik oder ihre Politik nicht automatisch besser. Vor allem Georg Mascolo machte auf deren Widersprüche aufmerksam. Der frühere Spiegel-Chefredakteur brachte das vortrefflich auf den Punkt. Sobald es „um irgendeine Form der Gewalt geht, dann beginnen Sätze nie mit Ja, aber, sondern sie beginnen immer mit Hier endet es. Und es ist in einer Demokratie unmöglich.“
Plasberg brachte eine Auswahl an Beispielen für dieses „Ja, aber.“ Wie die AfD auf von ihr verantworteten Internet-Foren ungerührt Mordaufrufe gegen Walter Lübcke stehen ließ. Oder einer ihrer bayerischen Landtagsabgeordneten bei der Totenehrung für den ermordeten Regierungspräsidenten demonstrativ sitzen blieb. Da nützte es nichts mehr, wenn sich Junge anschließend um Distanzierung bemühte. Er sitzt mit solchen Leuten im selben Boot, das Mascolo so charakterisierte: Zu dieser Form der Gewalt gehöre „auch eine gewisse Form der gewalttätigen Rede“ und das sei „leider etwas“, was man in der AfD häufig finde.