Stephan Remmler wird 70 : Zweckentfremdung und Brauchbarkeit
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Aha, aha, aha: Stephan Remmler Bild: TEUTO
Ihm genügte ein einziger genialer Song, um das ganze Leben davon zu zehren. „Da Da Da“ von Trio war aber alles andere als ein Zufallsprodukt. Dem großen Vereinfacher Stephan Remmler zum Siebzigsten.
Solch eine Szene konnte sich zu Beginn der achtziger Jahre wohl nur in der niedersächsischen Ortschaft Großenkneten abspielen: Im Keller-Proberaum der Regenter Straße 10a spielt der Gitarrist Kralle Krawinkel virtuos seine neuen, von Hendrix inspirierten Kompositionen. Stephan Remmler im Zimmer darüber hört ihm zu, probiert an einem nagelneuen Spielzeug-Keyboard herum, dem ersten seiner Art, entlockt ihm faszinierende, künstliche Laute und schießt sich textlich auf „La La La“ ein.
Irgendwann stürzt er aus dem Erdgeschoss in den Proberaum, trommelt auch Peter Behrens herbei, drückt auf drei Knöpfe des Casio, Krawinkel spielt Gitarre, Behrens Schlagzeug – und geboren ist der Welthit „Da Da Da“. So haben es die drei einmal in einer Fernsehreportage beschrieben. Ein Zufallstreffer war es nicht. „Die haben es echt drauf gehabt“, sagte die mit der Band befreundete und im Background von „Da Da Da“ zu hörende Annette Humpe einmal im Gespräch.
Die drei Großen Kneter, zwei Lehrer und ein abgebrochener Clown (Behrens), nennen sich Trio, ihr Primus inter pares ist Stephan Remmler, die „Schrotmühle“, wie ihn Krawinkel einmal nannte, ein radikaler Vereinfacher, der heute noch, an seinem siebzigsten Geburtstag, von den Tantiemen dieses Welthits leben kann – traurigerweise als einziger Überlebender der Band.
Für Krawinkel war es 1982 wohl nicht leicht zu akzeptieren, dass von seiner hendrixmäßigen Solokomposition in der Endfassung von „Da Da Da“ nur einige wenige Gitarrenläufe übrig blieben. Doch bei Licht betrachtet, steuert in diesem Song alles auf seine befreienden Riffs zu, was eine enorme Dynamik und nicht alternde Erwartung hervorruft.
Die Reduktion bei Trio war wohl das größte Verdienst Stephan Remmlers, der seinerseits den Produzenten Klaus Voormann als wichtigen Impulsgeber und eigentlichen Erfinder des Trio-Sounds ins Spiel bringt. Remmler, mit seinen reptilienartigen Bühnen-Bewegungen ein begnadeter Performer, der allerdings Live-Auftritte mied, war dabei, blitzgescheit, sowohl Zerstörer als auch Neuermöglicher, ein Widerspruch, der sich auch durch seine Texte zieht: „Ich lieb’ dich nicht, du liebst mich nicht“, „lassmichrein – lassmichraus“, Herz und Nichtherz, das war schon ein zentrales Motiv.
Erklärtes Ziel der Band war es in ihrer Anfangszeit, so gut zu sein, dass alle, die etwas von ihr wollten, dem platten Großenkneten die Aufwartung machen mussten. Das gelang Trio. Doch dann vollzog sich in Text und Musik eine allmähliche Entwicklung vom knackigen, typisch deutschen „A“ zum weichen, unspezifischen „U“, vom Dada-Rock zum schummrigen Streicherkonzert. Auf „Anna, Anna, oh Anna“, folgte zunächst „Bum Bum“, dann, auch noch gut, „Herz ist Trumpf“, bis mit „Turaluraluralu, ich mach BuBu, was machst du“ ein rätselhafter Tiefpunkt erreicht war. Krawinkel stieg aus, Remmler hat die Entwicklung später souverän mit den Worten kommentiert: „Durch die vielen Möglichkeiten, die wir plötzlich hatten, ging die Einzigartigkeit verloren.“
Solo kommt Stephan Remmler noch mit „Keine Sterne in Athen“ und „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, das ungeplant zum Karnevalshit wurde, in die Single-Charts. Anschließend zog er sich mehrmals ins Privatleben zurück, machte Musik mit seinen drei Söhnen, schrieb ein Kinderbuch und Filmmusik, konnte aber an die alten Erfolge nicht anknüpfen. Anders verhielt es sich mit „Da Da Da“: Das blieb, wenn auch nicht immer in besten Händen. Remmler sang es mit Sido und lieh es den Marketingabteilungen von Volkswagen und Pepsi, neuerdings singt er es im Werbespot für eine Smartphone-App. Inkonsequent war das alles nur bedingt, denn die „zweckentfremdete Brauchbarkeit“ gehörte schon immer zur Trio-Ästhetik.
In die deutsche Musikgeschichte wird Stephan Remmler aber wohl als eine ihrer größten Schelmenfiguren eingehen, als lebender Beweis einer Macht, die es so fast nur in der Kunst gibt: Ein paar Minuten geniale Musik – und man kann ein ganzes Leben davon zehren.