Toronto : Zum Gelde drängt doch alles
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Wagners „Ring des Nibelungen” eröffnete Torontos neue Oper Bild: F.A.Z.-Andreas Platthaus
Neue Museen und eine der schönsten Opern der Welt: Die kanadische Stadt Toronto möchte eine kulturelle Weltstadt werden. Deshalb rüsten sich die Kulturinstitutionen für die Zukunft - und gegen die übermächtige amerikanische Konkurrenz.
Nur ein paar hundert Meter Toronto vorgelagert liegt im Ontario-See eine langgestreckte Insel. Hier ist von der Hektik und dem permanenten Baulärm in der Innenstadt nichts zu hören, obwohl deren Silhouette wie ein grünsilberner Gebirgskamm am nahen Ufer gegenüber liegt. In der Inselmitte lärmt am Wochenende ein populärer Vergnügungspark.

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Geht man jedoch in die kleine Siedlung Wards Island, dann gerät man plötzlich auf ungepflasterte Straßen, die von winzigen Holzhäusern flankiert werden. Von Bauboom und -spekulation, wie sonst in der Dreieinhalbmillionenstadt üblich, ist hier nichts zu spüren, denn die Grundstücke können nur gepachtet werden, und es gibt keine Brücke, die Stadt und Insel verbände. Sonst dürfte hier recht schnell das alternative Milieu mit Gartenkooperativen, charmant heruntergekommenen Tennisplätzen, winzigem Seniorenheim und Fahrradverkehr der Vergangenheit angehören.
Keine Brücke für „Toronto Island“
Natürlich hat die größte Stadt Kanadas längst ein Auge auf das kleine Paradies direkt vor der eigenen Nase geworfen - es ist dem Stadtgebiet zugehörig, wie schon der Name „Toronto Island“ verrät, Doch der Plan, eine Brücke zu bauen, wurde vom Bürgermeister vor einigen Jahren niedergeschlagen, zumal der auf der Insel gelegene City Centre Airport für größere Flugzeuge gesperrt worden ist.
Diesen Beschluß allerdings will die Hafenverwaltung von Toronto, unter deren Ägide der Flughafen steht, wieder aufheben. Der Protest der Inselbewohner dagegen ist so heftig, daß sie nun von der Hafenbehörde verklagt worden sind.
Toronto will kulturelle Weltstadt werden
Um auch nur die Anwaltskosten begleichen zu können, haben sie im vergangenen Monat erstmals ihre kleinen Häuser geöffnet: Für fünfundvierzig Dollar, etwa dreißig Euro, konnten Besucher mit Ausnahme der Schlafzimmer alles besichtigen - ein großes Zugeständnis einer Gemeinschaft, die sonst so stolz auf ihre Abgeschiedenheit ist. Aber auch ein großer Erfolg, weil man dadurch in Toronto erkannte, daß es noch andere Gesichter der Stadt gibt als das der boomtown.
Sie wird zur Zeit mächtig umgekrempelt. Der Einwohnerzahl nach ist Toronto längst eine Metropole, und in Kanada hat sie ohnehin keine Konkurrenz zu fürchten. Doch Toronto will mehr, will Weltstadt werden, auch und gerade kulturell. Derzeit ist nicht nur ein Konstruktionswettlauf rund um die Hafengegend zugange, wo vor allem mit chinesischem Geld ein Wolkenkratzer nach dem anderen errichtet wird, sondern auch die großen hiesigen Kulturinstitutionen sind sämtlich dabei, sich für eine Zukunft zu rüsten, die ihnen bildungsbeflissene Besucher aus allen Kontinenten bescheren soll.
Ambitionierte Pläne
Die beiden bedeutendsten Museen in Toronto, das Royal Ontario Museum (ROM) und die Art Gallery of Ontario (AGO), werden umgebaut und sind noch für längere Zeit zu weiten Teilen unzugänglich. Ihre Erweiterungen sollen beiden Häusern feste Plätze auf der internationalen Museumshitliste einbringen, und entsprechend ambitioniert sind die jeweiligen Pläne: In den eher einer Bahnhofshalle gleichenden kalten grauen Steinbau des ROM aus dem Jahr 1933 ist eine Bresche geschlagen worden, in der Daniel Libeskind bis zum nächsten Jahr einen seiner mittlerweile gängigen aus Stahl und Glas zusammengesetzten Blitze - hier soll es ein Kristall sein - niederfahren lassen soll.
Der als „Transformation AGO“ betitelte Umbau der Art Gallery konnte dahinter natürlich nicht zurückbleiben. Deshalb betraute man einen noch begehrteren Architekten damit: Der Umbau beruht auf einem Entwurf von Frank Gehry. Schon fertig sind dagegen zwei weitere bedeutende Kulturbauten: das direkt gegenüber vom ROM gelegene Gardiner-Museum für Keramikkunst und das neue Opernhaus mitten in der Stadt. Beides sind exzellent gelungene Gebäude, und der Neid der noch bauenden Kollegen ist riesig.