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Tony Vaccaro zum 100. : Krieg und Glamour

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Tony Vaccaro im Jahr 1962 Bild: Ullstein

Tony Vaccaro dokumentierte das Leben auf den Schlachtfeldern in Europa und den Glanz der Prominenz in Amerika. Nun feiert er seinen hundertsten Geburtstag.

          2 Min.

          Kurz vor seinem hundertsten Geburtstag ist Tony Vaccaro noch immer zu Fuß in New York unterwegs, seiner zweiten Heimat, seit einigen Monaten mit Gehstock, immer dabei seine Kamera. Fotografie, das ist das Lebensthema dieses Mannes, dessen Werk erst spät die verdiente Anerkennung erhielt.

          Als Michelantonio Celestino Onofrio Vaccaro kam er 1922 in Pennsylvania zur Welt. Seine Jugend verbrachte er mit der Familie in Italien. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jedoch kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück, wo er die Highschool beendete und 1944 zum Militärdienst eingezogen wurde. Als GI nahm er an der Landung in der Normandie teil, einige Tage nach dem D-Day. Schon damals hatte er eine einfache Kamera im Gepäck, mit der er auf seinem Weg quer durch Europa bis Berlin fotografierte. Er schuf ungeschönte Bilder der Schlachtfelder und von der Grausamkeit des Tötens. Aber auch von der Stimmung in den befreiten Städten.

          Den Frieden umarmen

          Nach Kriegsende blieb Tony Vaccaro in Deutschland, zuerst in Frankfurt, wo er als freier Mitarbeiter für die Militärzeitung „Stars & Stripes“ tätig war. Nun beschäftigte ihn neben dem Alltag der Armee auch der Wiederaufbau des Landes. Doch die Bilder blieben unbeachtet und wurden erst ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende in einer großen Wanderausstellung in Frankreich, Luxemburg, Belgien, später auch Deutschland gezeigt.

          Die Schwebebahn in Wuppertal, Foto aus dem Jahr 1948
          Die Schwebebahn in Wuppertal, Foto aus dem Jahr 1948 : Bild: picture-alliance / akg-images / Tony Vaccaro

          Heute zählen die Arbeiten zu den wichtigen fotografischen Zeugnissen des Zweiten Weltkrieges. Und in der bretonischen Stadt Saint-Briac-sur-Mer, wo er einen amerikanischen Soldaten fotografierte, der von einer Schar Kinder umringt ein Mädchen in den Arm nimmt, sein womöglich bekanntestes Bild, wurde sogar der Rathausplatz nach ihm benannt. Für seine Bilder vom Krieg wurde er zudem in die französische Ehrenlegion aufgenommen, und er erhielt das Bundesverdienstkreuz. In Amerika hingegen sind seine Aufnahmen des Kriegs bis heute weitgehend unbeachtet.

          Es wäre angesichts seines umfassenden Werks ungerecht, Vaccaro als einen Kriegsfotografen zu bezeichnen. Seine Rückkehr in die USA 1949 fiel in die Zeit der großen amerikanischen Zeitschriften wie „Life“, „Look“ und „Flair“, für die er fortan arbeitete. Allein im Magazin „Look“ veröffentlichte Vaccaro mehr als vierhundert Fotoessays. Neben Modeaufnahmen sind es vor allem Künstlerpor­träts, die ihm den Ruf eines begnadeten Porträtfotografen einbrachten. Sie bestechen durch ihre Unmittelbarkeit, die keine Distanz zwischen Fotograf und Künstler erkennen lässt. Sein Porträt Pablo Picassos aus dem Jahr 1966 etwa gehört zu den eindrücklichsten Porträts des Malers, was ihm dadurch gelang, dass er Picassos fortwährendes Posieren mit dem Hinweis unterbrach, es sei etwas an der Kamera kaputt. Im folgenden Moment der Entspannung nahm er sein Bild auf.

          Es komme auf diese Sekunde an, so sein Credo, in der ein Mensch wahrhaft im Porträt zu erkennen sei. Alles andere sei inszeniert. Seine Arbeitsweise gleicht darin der Cartier-Bressons. Seine selbstbewusste Arbeitsweise bei der Gestaltung der fotografischen Zeitschriftenessays weist große Gemeinsamkeit zu den ostdeutschen Autorenfotografen und legendären Gestaltern in Westdeutschland wie Willy Fleckhaus, auf. Seine Fotografien in seinem eigenen Sinn in Magazinen zu gestalten ist ihm bis heute besonders wichtig.

          Die Sensibilität für die Wirkung von Bildern, mehr noch aber sicher seine zugewandte, offenherzige Persönlichkeit öffneten ihm zahlreiche Türen, wovon seine Porträts unter anderem von Jackson Pollock, Willem de Kooning, Marcel Duchamp, Georgia O’Keeffe, Charlie Chaplin, Sophia Loren, Somerset Maugham und Frank Lloyd Wright zeugen. Ihn besuchte er gleich für mehrere Tage auf seinem Landsitz Taliesin für ein ausführliches Porträt im Magazin „Look“. Als Dank für seine zurückhaltende Arbeit und den Verzicht auf Ins­zenierung schenkte ihm Frank Lloyd Wright seinen Gehstock, mit den Worten, dass er diesen sicher einmal gebrauchen könne. Heute wird Tony Vaccaro hundert.

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