Toleranz-Museum Jerusalem : Irgendwann war auch mein Grab verschwunden
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Wie lange ist Friedhofserde heilig? Soeben hat das israelische Innenministerium die endgültige Genehmigung für den umstrittenen Museumsbau erteilt Bild: AP
Saladin ließ hier seine Soldaten bestatten, aber auch ein Parkhaus stand schon an der Stelle: Der Streit um das geplante „Toleranz-Museum“ des Simon-Wiesenthal-Zentrums auf einem muslimischen Friedhof in Jerusalem wird immer grotesker.
Die Bagger kamen im Dunkel der Nacht. Ihre tiefen Spuren sind noch Wochen später im sandigen Boden zu sehen. Auf einigen Steintrümmern lässt sich arabische Kalligraphie entziffern. Die anderen Grabsteine haben die Arbeiter abtransportiert. Bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der Mamilla-Friedhof die größte muslimische Grabstätte in Jerusalem. Damals war er gut dreißig Hektar groß. Seit 1948 gehört der Friedhof zum jüdischen Westteil der Stadt, und es ist weniger als ein Zehntel von ihm übrig geblieben. Gut die Hälfte davon nimmt der Unabhängigkeitspark ein.
Nach der Überlieferung fanden auf dem Areal im siebten Jahrhundert Gefährten des Propheten Mohammed ihre letzte Ruhestätte. Saladin ließ dort seine Soldaten bestatten, nachdem sie Jerusalem von den Kreuzfahrern zurückerobert hatten. Später begruben dort Mamelucken und Osmanen und alle Familien, die etwas auf sich hielten, ihre Toten. Die Grabsteine waren das „Who is who“ des arabischen Jerusalem: Sufi-Scheichs, Emire und Gelehrte lagen Seite an Seite. Auch der bekannte Jurist Schams al Din al Khalidi gehörte dazu. „Irgendwann war sein Grab verschwunden. Das geht seit mehr als fünfzig Jahren so. Heimlich zerstören die Israelis immer mehr Grabsteine. Zuletzt in der Nacht zum 26. Juni, als sie mit Baggern kamen“, sagt Azem Khalidi, ein Nachfahre des Rechtsgelehrten. Die Arbeiter zogen sich überstürzt zurück, als zufällig ein arabischer Fernsehjournalist vorbeikam und anfing, sie zu filmen. Im Internetportal Youtube sind die Bilder zu sehen.
Frank Gehrys Entwurf sollte eine Viertelmilliarde Dollar kosten
Die letzten muslimischen Gräber sind noch aus einem weiteren Grund wieder zu einer interreligiösen Konfliktzone mitten in der Stadt geworden. Nicht nur Azem Khalidi blickt in diesen Tagen sorgenvoll hinauf zur hohen weißen Blechwand im Westen des Friedhofs. Dort können nun jeden Tag die Bauarbeiten für das „Zentrum für Menschenwürde - Museum für Toleranz“ beginnen. Mitte Juli hat das israelische Innenministerium die endgültige Genehmigung erteilt. Bauherr ist das Wiesenthal-Zentrum. Die nach dem Nazi-Jäger Simon Wiesenthal benannte jüdische Menschenrechtsorganisation hat schon in Los Angeles ein erstes „Toleranz-Museum“ errichtet. Und ihr Gründer und Leiter, der Rabbiner Marvin Hier, kann sich keinen besseren zweiten Standort vorstellen: Jerusalem fehle noch ein Ort, der Toleranz in der Stadt propagiere, die für Juden, Muslime und Christen von solch großer Bedeutung sei, meint Hier.
Zur Grundsteinlegung war 2004 der damalige kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger angereist. Kurz darauf bremsten ein langwieriger Rechtsstreit und die weltweite Finanzkrise das Museum, für das die Stadtverwaltung das Grundstück bereitgestellt hatte. Der renommierte amerikanische Architekt Frank Gehry zog sich zurück. Sein für das kleinstädtische Jerusalem äußerst ambitionierter Entwurf war nicht mehr zu finanzieren; er sollte eine Viertelmilliarde Dollar kosten. Jetzt genehmigten die Behörden einen deutlich bescheideneren Gebäudekomplex, den das Tel Aviver Architektenbüro Chyutin geplant hatte.