Tierrechte gegen Schaulust : Dem Zoo geht es an den Kragen
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„Füttern verboten!“: Dieses Schild ist sinnvoll. Zoo-Besucher verfüttern an Elefanten auch Dinge, an denen die Tiere sterben können. Bild: Markus Hanke / VISUM
Früher warfen sich vor allem Schöngeister für die Tiere in die Bresche. Heute sind es knallharte Tierrechtler. Die Zookritik tritt in ein neues Stadium.
Man spürte es: Die Nerven liegen blank. Ein Funke, ein falsches Wort würde reichen, um hier eine Psychodynamik in Gang zu setzen, die am Ende nicht mehr einzufangen sein würde. Bei der Jahrestagung der Zoodirektoren, gutsituiert im Münsteraner Mövenpick-Hotel, liegt die Lunte am Sitzungssaal. Jedem hier ist klar: Tierschützer und Tierrechtler rütteln an den Gittern des bürgerlichen Bollwerks Zoo. Spätestens jetzt, mit der Neuauflage des Great Ape Projects „Menschenrechte für Menschenaffen“, das sich in jüngster Zeit strategisch gegen die Zoologischen Gärten gerichtet hat, wird es endgültig eng.
Die Tierrechtler blasen zum Sturm auf den Zoo, zuletzt Colin Goldner mit einer bedrückenden Inspektion 38 deutscher Zoos, deren Ergebnisse er in dem eben erschienenen Buch „Lebenslänglich hinter Gittern. Die Wahrheit über Gorilla, Orang Utan & Co. in deutschen Zoos“ publiziert. (Auf eine Replik der Zoodirektoren wartete man in Münster vergeblich, stattdessen änderte man dort den Verbandsnamen: Aus dem Verband der Zoodirektoren wurde, Arnold Gehlens institutionellen Entlastungsgedanken aufgreifend, flugs der Verband der Zoologischen Gärten.)
Der Kapitän verlässt als Letzter die Arche Noah. Ist es schon so weit, fragte man sich in Münster und hörte Jörg Adler, den gastgebenden Direktor des Münsteraner Allwetterzoos, in ein Radiomikrofon sprechen: „Ich bin ja auch ein Zookritiker.“ Mein Gott! Ganz so, als müsste es im Text gleich weiter heißen: Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
Mit der schöngeistigen Schonzeit für den deutschen Zoo ist es vorbei
Wie konnte es so weit kommen? Im Schatten der Debatten um Schlachthöfe und Tierexperimente schien der Zoo lange Zeit mehr oder weniger unbehelligt zu bleiben. Sicher, Zookritik, das Monitum der artfremden Haltungsbedingungen gefangener Wildtiere, das gab’s immer und hatte, möchte man sagen, seine ideologische Planstelle im System Zoo selbst. Deshalb verlief das Unwohlsein dann doch stets wieder im Sande der Außengehege. Die Wucht, mit der die Zookritik beispielsweise in Italien zugeschlagen hatte – in den Neunzigern kam es dort nach Emilio Sannas bahnbrechendem Buch „Verrückt hinter Gittern“ zu zahlreichen Zooschließungen –, diese Wucht hat vielleicht noch England, aber Deutschland nie erreicht.
Die klügste und martialischste Verteidigung der Tiere, die je geschrieben wurde – Hans Wollschlägers Werk „Tiere sehen dich an“ (2002) –, zielt auf „das ontologische Großphänomen des Sadismus selbst“, aufs „Potential Mengele“; aber als Sadisten werden dort selbstverständlich nicht die Zoodirektoren, sondern die Protagonisten der Massentierhaltung bloßgestellt. Den Zoo fertigt Wollschläger nur knapp ab, als „grausames Imitat des metaphysischen Zoos“, wie er im biblischen Paradies vor uns ersteht.