Tier und Mensch in Rothenburg : Hund, Katze, Henker
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Dummes Grautier? Der sogenannte „Eselsritt“ wie hier im mittelalterlichen Rothenburg ob der Tauber war als Entehrung der Verurteilten gemeint. Bild: Mittelalterliches Kriminalmuseum Rothenburg
Von wegen „Tier in dir“: Der Umgang mit unseren animalischen Begleitern wie auch Ernährern hat sich in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals radikal gewandelt.
Ohne treue tierische Gefährten wären viele Menschen derzeit noch einsamer als ohnehin schon. Eine Idee des Deutschen Ledermuseums Offenbach kurz vor Weihnachten darf daher auch als Würdigung der animalischen Begleiter angesehen werden: 24 der 28 Fenster in beiden Museumsobergeschossen werden Tag für Tag als überdimensionierter Adventskalender zur Straße hin mit anrührenden Tiermotiven der aktuellen Ausstellung „tierisch schön?“ bespielt. Ansonsten jedoch überwiegen derzeit Schreckensbilder: Zu Tausenden wurden Nerze in Dänemark wegen Corona gekeult und reckten ihre Pfoten ein letztes Mal gegen die Käfigdecke. Noch frisch sind auch die Bilder einer Fleischgroßfabrik in Westfalen, die gleichermaßen tödlich für die darin eingepferchten Menschen und Tiere war.

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Dennoch wird gerade anhand der Bilder des architektonischen Adventskalenders am Ledermuseum eines überdeutlich: Ohne das „Benutzen“ von Tieren, insbesondere die aus ihnen gefertigte wärmende Kleidung, hätte die Menschheit keine einzige Eiszeit überlebt. Und ohne Hund und Katz als Menschenersatz wäre es seelisch aktuell wohl noch weit schlechter um viele Zeitgenossen bestellt. Dass diese enge Beziehung zu Haustieren und die zunehmende Sorge um das Tierwohl keinesfalls alte und garantierte Sachbestände sind, dass etwa verwilderte Hunde in den Städten von speziell dafür bestallten Hundefängern totgeschlagen wurden – in Bern allein 405 im Jahr 1552 – und als besonders schändliche letzte Ehrabschneidung von Delinquenten zusammen mit diesen gehängt wurden, zeigt die Wechselhaftigkeit des Verhältnisses zu unseren tierischen Verwandten.
Eine Ausstellung mit dem Titel „Hund und Katz, Wolf und Spatz – Tiere in der Rechtsgeschichte“ im rührigen Mittelalterlichen Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber widmet sich der gespannten Beziehung des Menschen zu den Tieren in den letzten 1500 Jahren. Wenngleich die Schau des Lockdowns wegen derzeit nicht zu besichtigen ist, bietet der vorzügliche Katalog vollgültigen Ersatz zur umfassenden Information über die nicht ganz einfache Materie, mit knapp zwanzig Euro für 372 Seiten ein günstiges Weihnachtsgeschenk für kritische Geister. Dass also bei Ebbe im kommunalen Säckel den Kämmerer ein Hund am Boden neben der Geldtruhe anstarrte und die Stadt somit auf den selbigen gekommen war, dass Katzen über Jahrhunderte als Buhlschaft von Hexen verfolgt und getötet wurden, andererseits aber auch von jedem Müller in mindestens einem Exemplar als Mäusevertilger gegen Hungersnöte verpflichtend gehalten werden mussten, dass unter Karl dem Großen seit 813 je Hundertschaft des Reiches zwei Luparii als professionelle Wolfstöter Massaker wie jenes noch im strengen Winter 1814/15 mit 28 getöteten Kindern bei Posen verhindern sollten und dass Spatzenschwärme im Mittelalter – der Kernkompetenzzeit des Rothenburger Kriminalmuseums – zu den biblischen Plagen gerechnet wurden, dies alles bereitet das Buch in krimispannenden Beiträgen auf.
Auch wenn das Mittelalter nicht zimperlich mit vermeintlich schadenden Tieren umging, gab es keine Massenhaltung (Fleisch kam außerhalb der wenigen reichen Haushalte so gut wie nie auf den Tisch, auf Wilderei stand oft die Todesstrafe) und keine unnötigen Quälereien, und zwar gerade wegen eines Wandels der Rechtsauffassung: Wurden Tiere im antiken römischen Recht rechtlich als Sachen behandelt, was sich bis heute zivilrechtlich mit der unlogischen Einschränkung im Tierschutzgesetz erhalten hat, dass ihnen nicht „ohne vernünftigen Grund“ Leiden zugefügt werden darf (F.A.Z. vom 20. Juli), war es im germanischen Recht der Lex Salica anders. Dieses von König Chlodwig für die Salfranken verfasste und wohl 510 nach Christus in Kraft getretene Gesetz begrenzte die Verfügungsgewalt an Tieren und nahm sie als Mitgeschöpfe deutlich ernster als das römische Recht. Überhaupt wurden in den mittelalterlichen Jahrhunderten, in denen mindestens drei Viertel des Landes noch von dichtestem Wald bedeckt waren – einem fast unzugänglichen Refugium für die Lebewesen darin –, die Kräfte und genau beobachteten Fähigkeiten von Tieren wesentlich mehr geschätzt, ja teils bewundert.