Telekommunikation : Die Steckdose in der Parkbank
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Nicht ohne mein Telefon! Unser Bild zeigt potenzielle Nomophobiker. Besitzt bald auch diese Bank in Brooklyn, New York eine Steckdose? Bild: picture alliance / Photoshot
Eine neue Angst grassiert: Nicht die, ohne Mobiltelefon unterwegs zu sein, sondern ohne Akku. Von dem, was sich der moderne Mensch so alles auflädt.
Es grassiert eine neue Phobie. Als hätten wir nicht schon genug zu tun mit Ochlophobie (Menschenmassen), Amaxophobie (Autos), Phobophobie (Angst vor der Angst). Es ist die Angst, dass der Handyakku leer und weit und breit keine Steckdose in Sicht ist. Ein Albtraum für viele. Er trägt einen Namen: Nomophobie (Angst ohne Mobiltelefon zu sein). Der Handyakku zeigt nur noch zwei Prozent Kraft an und dann macht es: plopp. Schwarzer Bildschirm. Nichts geht mehr. Man wird auf sich selbst zurückgeworfen – gerät in Panik. Wie finde ich den Weg nach Hause? Wie rufe ich ein Taxi ohne App? Was denken jetzt meine Freunde, wenn ich im Chat nicht reagiere?
Der Nomophobie-Variante wird nicht etwa Abhilfe geschaffen durch Handyentzugskuren oder Landkartenlesekurse, sondern mit kleinen, bunten Dingern. Schaut man in zeitgenössische Handtaschen fällt immer häufiger ein kleines Utensil auf, ohne dass viele nicht mehr auskommen. Es gibt es quadratisch und flach oder lang und breit. Man kann es in allen Farben finden. Es sind Ersatzakkus für Handys, die man mit einem USB-Kabel mit dem Telefon verbindet. Beworben werden sie mit psychologischen Motti wie „Sorge Dich nicht“!
Die Parkbank der nächsten Generation
Einer Frau fiel in der U-Bahn die Handtasche um und drei Ersatzstromspender fielen heraus – neben Lipgloss und Wimperntusche. Sie sagte, sie habe so einen weiten Weg zur Arbeit. In Boston müssen sich die Nomophopie-Geplagten nicht mehr fürchten vor einem längeren Spaziergang abseits von Steckdose und Stromversorgung. Die Parkbänke der Stadt sind jetzt solarbetrieben, haben Anschlüsse zum Aufladen von Akkus, kosten 3000 Dollar, heißen „Soofas“ und sind so konzipiert, dass sich auf ihnen nicht einmal ein sehr müder Bänker querlegen kann. Aufrecht sitzend behält man hier Anschluss an die Welt. Vier Bänke sind auf dem Campus einer Bostoner Universität aufgestellt – damit die Pause auch Arbeitszeit bleibt, man sich bloß nicht mit seinem Nachbarn unterhalten muss.
Und die Bank kann noch mehr: Sie versorgt den Rastenden mit der lokalen Wetterlage, damit der Blick in den Himmel nicht vom Blick auf das Telefon ablenkt. Sie gibt Aufschluss über die umgebende Lautstärke und über Luftqualität. „Wir wollen den öffentlichen Raum der Städte interessant machen für die neue Generation“, sagen die Erfinder: „Wir haben unsere Mobiltelefone immer an, arbeiten permanent, deswegen ist es sehr wichtig, die ganze Zeit aufgeladen zu sein.“ Mit der Erfindung dieser Bänke droht allerdings schon die nächste Phobie-Variante. Der Anbieter weist daraufhin, dass „die Firma die Bänke bereitstellt – allerdings ohne Stromkabel“. Der moderne Mensch muss also, damit er vor dem selbständigen Handeln bewahrt wird, nur noch an zwei Dinge denken, damit der Lebenssaft nicht ausgeht: Sein Handy und ein Kabel. Hoffentlich sind wir damit nicht überfordert.