
Streit um „Timbuktu“-Regisseur : Katerstimmung
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Seht her, ich bin unschuldig: Der Regisseur Abderrahmane Sissako dementiert sämtliche Vorwürfe. Bild: dpa
Sein Islamismus-Drama „Timbuktu“ gewann gleich siebenmal den französischen Filmpreis „César“. Doch jetzt steht Regisseur Abderrahmane Sissako für seine Nähe zum Diktator von Mali in der Kritik. Ist sein Film nur Propaganda?
Einen César nach dem anderen heimste „Timbuktu“ bei der Verleihung der französischen Filmpreise ein, sieben waren es am Schluss. Und mit jedem neuen kehrte der Regisseur Abderrahmane Sissako auf die Bühne zurück. Auch seine Frau begleitete er zur Entgegennahme eines César. Bei der nächsten Ehrung allerdings pausierte er, und manch ein Zuschauer mag sich eine handfeste Szene ihrer Ehe in den Kulissen ausgemalt haben. Denn Sissako hatte das Drehbuch, für das er und seine Frau zusammen als Verfasser geehrt worden waren, in seinen Dankesworten als „schwach“ bezeichnet, obwohl daraus ein großartiger Film entstanden sei.
Sissakos „einmaliges Genie“ wurde umgehend von einem Kommuniqué der Regierung seines Heimatlandes Mali hervorgehoben. Darin steht auch, dass Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz mit seiner „unfehlbaren Unterstützung“ diesen „großen Film“ erst ermöglicht habe. Das ist reine Propaganda eines umstrittenen Diktators, der gerade erst mehrere Kritiker der seit kurzem in Mali verbotenen, aber weithin verbreiteten Sklavenhaltung ins Gefängnis steckte – darunter den stärksten Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl vom vergangenen Jahr. Aber auch in der übelsten Propaganda steckt manchmal Wahrheit. Inzwischen gibt es Berichte, wonach Sissako als „kultureller Berater“ des Präsidenten arbeite, in dessen Palast ein Büro habe, über Dienstwohnung und Dienstwagen verfüge. Zu den Dreharbeiten unter dem Schutz der malischen Armee, der die Franzosen zu Hilfe eilten, habe er falsche Angaben gemacht. Sogar die Idee zu seinem Film über die Dschihadisten sei von Aziz gekommen; der wollte, dass Sissako ein bereits angefangenes Werk über die Sklavenhaltung aufgebe. Aus Amerika, wo er bei den Oscars leer ausging, hat der Regisseur bisher wenig überzeugend dementiert: kein Auto, keine Wohnung. Die Vorwürfe kämen von einem Geschäftsmann und Regimegegner.
Doch schon im Dezember hatte die frühere Afrika-Korrespondentin der Zeitung „Libération“, Sabine Cessou, auf die Rolle von Sissako und viele Unstimmigkeiten in seinem Film bezüglich der kriegerischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Timbuktu hingewiesen. Sissako erneuere „den europäischen Mythos vom guten Tuareg“, schreibt Cessou, sein Film sei „ein afrikanisches Märchen für den Westen“, allerdings gut gemacht. In Frankreich war er bisher nur in kleinen Kinos zu sehen. Nach den Césars wird er nun in mehr als 300 Sälen gezeigt. Der Preisregen erfolgte im Klima der Attentate vom 7. und 9. Januar und galt Sissakos ideologischer Stoßrichtung. Deshalb erzeugen die politischen und moralischen Vorwürfe besonderes Unbehagen. Beim Filmfestival in Cannes hatte „Timbuktu“ keinen Preis gewonnen. Bei der nächsten Ausgabe aber wird Sissako Jurypräsident sein.