
Bundesstiftung in der Krise : Unversöhnt im Berliner Deutschlandhaus
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Seit einem Jahr arbeiten die Mitarbeiter der „Stiftung Flucht Vertreibung Versöhnung“ ohne Chef. Das Projekt einer Gedenkstätte für die Opfer von Zwangsvertreibungen kommt nicht voran. Nun wurde klar: Der neue Direktor wird sein Amt nicht antreten.
Unter allen Rücktritten und Skandalen, die das geschichtspolitische Projekt einer Gedenkstätte für die Opfer von Zwangsvertreibungen im letzten Jahrhundert seit mehr als einem Jahrzehnt begleiten, war dieser wohl der stillste: Der im Juni auserkorene nächste Direktor tritt sein Amt im Berliner Deutschlandhaus gar nicht erst an. Der Vorgänger war vor einem Jahr zurückgetreten, nicht freiwillig, sondern nach heftigen Protesten und eigentlich viel zu spät. Die Entscheidung des Stiftungsrates, dann den bisher kaum mit Arbeiten zur europäischen Dimension von Zwangsmigration hervorgetretenen Historiker Winfrid Halder zu ernennen, galt zwar nicht als glücklich, doch hoffte man trotzdem auf einen Neubeginn. Der andere Kandidat, der Historiker Michael Schwartz, ist zwar ein ausgewiesener Spezialist für Zwangsmigration, doch unterlag er, wie es hieß, weil er keine Leitungserfahrung habe.
Nun denn. Winfrid Halder war der Wunschkandidat des Bundes der Vertriebenen, und die zuständige Kulturstaatsministerin Grütters verteidigte das. Den Historikern, darunter zwei Polen, die danach ihr Beratermandat niederlegten, warf sie im „Spiegel“ vor, „Öl ins Feuer“ gegossen zu haben. Starke Worte für eine gern als Vermittlerin gerühmte Ministerin. Die Angegriffenen fragten im „Spiegel“ zurück, wer denn das Feuer gelegt habe, und deuteten damit höflich an, dass der zähe und von Unsäglichkeiten begleitete Streit um die Gestaltung eines solchen Museums mitten in Europa mitnichten so beigelegt war, wie es scheinen sollte.
Erinnerung und Versöhnung
Der Warschauer Deutschland-Spezialist Pjotr Madajczyk und der Direktor des Willy-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau, Krzysztof Ruchniewicz, hatten sich mit ihrem Engagement in Berlin zu Hause in Polen nicht nur Freunde gemacht. Ob sich jemals wieder polnische Wissenschaftler bereit erklären werden, diesen auch als Versöhnungsprojekt gedachten Erinnerungsort zu unterstützen, steht dahin. Also viel Porzellan zerschlagen, doch wofür? Wie es heißt, sei es in den Verhandlungen mit Winfrid Halder immer wieder um die Konditionen seines Arbeitsvertrags gegangen. Halder soll auf einem unbefristeten Direktorat bestanden haben, der heiße Stuhl in Berlin war jedoch ausdrücklich für fünf Jahre ausgeschrieben – eine Lehre aus dem Debakel mit seinem Vorgänger.
Als Kollegen vom RBB-Kulturradio vor einigen Tagen bei Halder in Düsseldorf nachfragten, wann er denn nun käme, nachdem sein Amtsantritt Monat um Monat verschoben worden war, mochte er nicht antworten und legte auf. Am Dienstagabend kam dann die Nachricht aus dem Hause Grütters, Halder habe aus persönlichen Gründen abgesagt. Nach Kampfabstimmung ist also alles wieder auf Null gestellt. Die fünfzehn Mitarbeiter der „Stiftung Flucht Vertreibung Versöhnung“ arbeiten derweil seit einem Jahr führerlos vor sich hin, nichts kann entschieden werden, was ziemlich frustrierend sein muss. Will Monika Grütters das skandalträchtige Projekt noch retten, muss sie sich endlich von jenen Partei- und Verbandsinteressen frei machen, die damals die – nun vergebliche – Wahl von Winfrid Halder erzwungen hatten.