
Stadtplanung : Make Potsdam schön again
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Der erste Eindruck: Das ist es, was konservative Urbanisten meinen, wenn sie „die europäische Stadt“ beschwören. Vier, fünf Stile, die aufeinanderkrachen, Differenz, Kommunikation, Urbanität. Italienliebhabern fällt Palermo ein, die Piazza San Domenico mit dem Kontrast von Barock und Brutalismus; oder Rom, wo von der Piazza Barberini die Via Barberini abgeht und alles modernismo, razionalismo, sachlich, schmucklos, antibarock ist.
Dass man in Potsdam diese Dinge nicht nur anders sieht, sondern dass sie sich grundsätzlich anders verhalten, ja dass das hier geradezu die Inversion italienischer Verhältnisse ist: Das erschließt sich dem Besucher, wenn er ein paar Schritte in Richtung Süden geht. Das Stadtschloss ist ein Nachbau des frühen 21. Jahrhunderts. Der Barberini-Palast ist noch neuer: eröffnet mit viel Tamtam und Bundeskanzlerin in jener unglücklichen Nacht, in der Donald Trump seine Antrittsrede hielt. Den Bau des Hauses hat komplett Hasso Plattner bezahlt, der Gründer von SAP, vermutlich der reichste Mann der Stadt – und das Besondere an diesem Haus ist, dass es nicht bloß eine Kopie des Palais ist, das hier einmal stand, sondern die Kopie einer Kopie: Friedrich II. befahl, dass neben seinem Schloss ein Palast errichtet werde nach dem Vorbild des frühbarocken römischen Palazzo Barberini – und so bekam Potsdam, hundertfünfzig Jahre nach Rom, seinen eigenen Barberini-Palast, wenn auch auf die Maßstäbe einer Kleinstadt und ihrer bürgerlichen Bewohner verkleinert.
Dass der Palast ein Neubau ist, der die beiden besten Wirkungen des Originals nicht zu bieten hat – weder das Staunen über die Kühnheit und Modernität, womit Bernini und Borromini zum Auftakt des Barocks die Grenzen zwischen Skulptur und Architektur einzureißen versuchten, noch die Bewunderung dafür, dass fast vierhundert Jahre der Schönheit und der Größe dieses Baus nichts anhaben konnten –, das sieht man, wenn man am Eingang steht. „Sieht aus, als ob es nach Ende der Weltausstellung wieder abgebaut würde“, meinte eine Besucherin aus München. Neu und abwaschbar.
Endlich ein wirklich historischer Bau
Die Begeisterung, mit welcher aber die meisten Besucher aus Potsdam und Berlin die Barockbehauptung beim Nennwert nehmen, wirft die Frage auf, die sich schon vor den erhaltenen Barockbauten in Potsdam stellt: Ob das pietistische, von protestantischer Wortwörtlichkeit beseelte Preußen und die gegenreformatorische Sinnlichkeit des Barocks, deren Ausdruck ja zu fassen versucht, was mit den Fesseln der Begriffe nicht festzuhalten ist, ob diese beiden jemals etwas miteinander anzufangen wussten. Man darf die Frage eigentlich nicht zulassen, man sieht sonst in Potsdam nur noch Kulisse und Budenzauber.
Und dann steht da, inmitten all der nachgemachten Fassaden, ein wirklich historischer Bau. Die Fachhochschule aus den frühen Siebzigern. Man kann es gar nicht fassen, dass dieses Haus jetzt abgerissen werden soll: So leicht und heiter, so modern und optimistisch! So ist der Sozialismus niemals gewesen, immerhin wünschte er sich anscheinend, so zu sein. Bis man endlich entdeckt, dass auch dieser Bau ein Nachbau ist. Das Original hat Mies van der Rohe gebaut, in den Fünfzigern in Des Moines in Iowa. Auch die Fachhochschule ist eine Kopie, auch ihr Stil hat, wie einst der römische Barock, auf dem Weg nach Potsdam sein Vorzeichen gewechselt – vom Kapitalismus zum Sozialismus; das Haus steht in bester Potsdamer Tradition.