Sprache : Das „Unwort des Jahres“: „Humankapital“
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Leipziger Studentenprotest im Januar 2004 Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
Zum „Unwort des Jahres 2004“ hat eine Jury aus Sprachwissenschaftlern das „Humankapital“ bestimmt: Es degradiere Menschen „zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“, so die Begründung.
„Human“ ist ein schönes Wort, und gegen Kapital - solange es nicht das von Marx ist - hat auch kaum jemand etwas einzuwenden. Zusammengeschrieben aber verletzen die beiden Wörter das Sprachempfinden jener Jury, die das diesjährige „Unwort des Jahres“ bestimmt hat. Es heißt „Humankapital“.
Das Wort degradiere nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt „zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“, lautete die Begründung des sechsköpfigen Gremiums aus Sprachwissenschaftlern. So werde die primär ökonomische Bewertung aller Lebensbezüge gefördert, die auch die aktuelle Politik immer stärker beeinflusse. Schon 1998 hatten die Experten den Ausdruck als Umschreibung für die Aufzucht von Kindern gerügt (siehe auch: Chronik: Unwörter von 1991 bis 2003).
In der Wirtschaft ist der englische Begriff „Human Capital“ schon seit den frühen sechziger Jahren gebräuchlich; die Investition ins „Humankapital“, zum Beispiel über die Ausbildung der Mitarbeiter, gilt als empfehlenswert.
Begrüßungszentrum und Luftverschmutzungsrechte
Insgesamt lagen der Jury 1218 Vorschläge vor. An zweiter Stelle rügte die Jury den durch Innenminister Otto Schily (SPD) geprägten Begriff „Begrüßungszentren“, der Auffanglager für afrikanische Flüchtlinge sprachlich verniedliche. An die dritte Stelle wurde der Ausdruck „Luftverschmutzungsrechte“ gesetzt, der der Jury zufolge umweltschädliche Emissionen unbedenklich erscheinen lasse, weil ihr Handel rechtlich geregelt sei.
Das unabhängige Sprachwissenschaftler-Gremium prangert mit der Kür des Unwortes seit 1991 sprachliche Fehlgriffe in der öffentlichen Kommunikation an. Die Negativliste umfaßt Begriffe, die grob unangemessen erscheinen oder die Menschenwürde verletzen. 2003 hatten die Sprachwissenschaftler den Ausdruck „Tätervolk“ zum Unwort gekürt, den der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann im Zusammenhang mit Juden gebraucht hatte.