Sexist Robbie Williams : Dreckige Scherze auf Kosten anderer
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Im Größenrausch: Robbie Williams in Gelsenkirchen Bild: Thomas Brill
Er hat es offenbar nötig: Robbie Williams beleidigt in Gelsenkirchen eine Frau. Ein Konzertbesuch der zweifelhaften Sorte.
Bis zu diesem Moment wäre es einfach nur das krampfhaft kommerzielle, disneylandmäßig in Szene gesetzte Konzert eines narzisstischen Popstars jenseits seines Zenits gewesen, aber selbst das ist Robbie Williams an Peinlichkeit wohl noch nicht genug. Er muss auch noch ein zwanzigjähriges Mädchen vor 50000 Menschen zur Schau stellen und diskriminieren, wie es schlimmer nicht geht.
Die Situation ist diese: Williams war seit sechs Jahren nicht auf Tournee; er wird ja ohnehin immer wieder totgesagt und feiert dann angeblich ein umso größeres Comeback, programmatisch nun mit der Vorstellung seines Albums „Take The Crown“. Der König muss sich aber gleich zu Beginn der Gunst seiner Untertanen versichern: „Germany, do you still want me?“ Williams tritt auf im Stadion von Gelsenkirchen, aber an diesem Abend nennt er sein Publikum immer nur „Germany“, gefühlte fünfzig Mal, darunter macht er’s nicht.
Der König lädt zum Tanz
Man muss sich also vorstellen: Williams hat bereits eine Stunde lang König, ja, Gott gespielt, ist an einer Seilbahn von der Decke eingeschwebt zu seinem Motto-Song „Let Me Entertain You“, ist vor und auf den lächerlichen Kulissen seiner eigenen, überlebensgroßen Büste herumgetanzt, die es gleich doppelt gibt: einmal als riesiges Relief über der Bühne, das Big-Brother-mäßig die gesamte Arena überwacht; dann noch mal unten als schmauchendes Dampfross aus Stahlgeflecht, das bei einem Song sein Haupt öffnet: Der Rübe des Robbie entsteigen dabei rote und gelbe Luftballons, dann ist sie leer.
Robbie Williams schwitzt, grimassiert, dirigiert die Massen und verspricht in einem seiner Hits „You and me are not like the others“, aber das ist natürlich das hohlste Versprechen überhaupt, denn bei Williams gibt es immer nur sein „Me“, das alle anzustaunen und zu beklatschen haben: alle anderen.
Schamloser Sexismus
Und nun bittet dieser selbsternannte Gott doch tatsächlich ein Mädchen zu sich auf die Bühne. Großes Gekreische: Wer wird die Glückliche sein? Es ist, wie sich auf gönnerhafte Nachfrage des Sängers herausstellt, eine zwanzigjährige Berlinerin. Verheult steht sie da, ungläubig, jetzt auf den Videowänden mit Robbie, der dann in Umarmung mit ihr das Lied „Strong“ singt. Klingt zunächst sehr galant, aber dabei bleibt es nicht.
Er werde öfter gefragt, teilt Robbie Williams nun dem Publikum mit, wie er denn die Mädchen auswähle, die zu ihm auf die Bühne kommen: „I always choose the ones with the biggest tits!“ Die Berlinerin steht da, vor 50000 Augenpaaren, in einer Mischung aus kindlichem Staunen, wohl auch immer noch Dankbarkeit und dann bodenloser Scham, die sie durch Lächeln zu verbergen sucht. Doch zu spät. Nun geht Robbie vor ihr auf die Knie, den Kopf unmittelbar vor ihrem Oberkörper, den er fixiert, während er ihre „schönen Augen“ lobt. Dabei bekommt er einen hysterischen Lachanfall.
Doch die Tortur ist noch nicht vorbei: Dann muss die junge Frau nämlich noch mit Robbie unter der Decke eines senkrecht aufgestellten, roten Ehebetts verschwinden, eine perverse Theatralisierung des königlichen Rechts der ersten Nacht. Unter anzüglichsten Bemerkungen entlässt der Star die verstört wirkende Frau endlich von der Bühne. Doch damit immer noch nicht genug: Nach weiteren Liedern wird die Kamera noch einmal die Bloßgestellte im Publikum suchen und auf den Videowänden zeigen, während Robbie Williams wieder von ihren Augen schwärmt und dabei mit den Händen Rundungen formt.
Ob man von einer so zweifelhaften Ehre irgendetwas mitnimmt außer Verletzung? Was bedeutet so eine vor Menschenmassen erfolgte Diskriminierung für die Betroffene in Zeiten von Twitter und sozialen Netzwerken, und welche Botschaft sendet ein Popstar an Jugendliche, wenn er nahelegt, so etwas sei ganz in Ordnung? Im Vergleich dazu wirkt der Fall Brüderle dann doch eher harmlos. Für diesen Eklat gab es ja genug Zeugen. Die Empörung wird aber wohl ausbleiben, weil man das alles irgendwie unter Popstar-Allüren verbucht, obwohl es darüber weit hinausgeht und auch nicht besser dadurch wird, dass Williams für seine Brustfixierung bekannt ist.
Ausgebrannter Popstar mit falschen Versprechen
Die ganze Ego-Showkulisse wirkt nach dieser Horrorszene einfach nur noch pathologisch. Die Pappkrone des Robbie Williams wackelt gewaltig, der Glitzerkram schimmert fade, und auch die etwas besseren Lieder, die noch folgen („Me and My Monkey“), können daran nichts ändern. Und die Zugaben, dann von Tausenden mitgesungen („She’s the One“, „Angels“) - wie kann deren romantisches Pathos, die Berufung auf höhere Mächte, danach noch irgendjemand ernstnehmen?
Ohnehin scheint Williams gesanglich nicht mehr ganz so fit zu sein, er wirkt kurzatmig und verbraucht. In seinen schlechtesten Momenten wirkt er an diesem Abend wie ein ausgebrannter Typ, der mit dreckigen Scherzen kaschieren will, dass er nichts zu sagen hat.
Robbie Williams hat bei dieser Show noch einmal eindrucksvoll gezeigt, dass er kein Künstler ist. Er ist bestenfalls in manchen Momenten ein guter Entertainer, der allerdings immer öfter die Rampensau rauslässt und dabei inzwischen fast nur noch auf Unflat setzt - eine„Rudebox“ eben, wie eines seiner Alben vielleicht auch deswegen heißt, die pausenlos Müll von sich gibt. Sein marmorner Kopf, der an diesem Abend grotesk häufig in immer neuen Varianten Szene gesetzt wird, hat sein hässliches Gesicht gezeigt.